Vor 175 Jahren hatten die Kantone gegeneinander die Waffen erhoben: Im Sonder­bunds­krieg trugen die radikal-liberalen Kräfte gegenüber den Katholisch-Konservativen zwar nominell den Sieg davon, Gewinner waren auf lange Frist jedoch alle: 1848 wurde ein föderalistischer, bis heute modellhafter Bundes­staat gegründet. Die verschiedenen Mentalitäten unter den Kantonen hingegen sind geblieben. Wie sich die Stände im Einzelnen unterscheiden, untersucht Avenir Suisse seit 2012 jährlich im Avenir-Suisse-Freiheitsindex.

Fokus auf die Zentralschweiz

Aus Anlass des Sonderbund-Jahrestags fokussiert Avenir Suisse in einer Begleitpublikation zum Freiheitsindex auf die Innerschweizer Kantone Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Luzern und Zug. Dabei zeigt sich: Die zivile freiheitliche Ordnung der Innerschweiz ist im interkantonalen Vergleich restriktiver ausgestaltet. Gerade mit einer strikten Trennung von Staat und Kirche scheinen die Innerschweizer Kantone Mühe zu bekunden. Ebenso könnten einige dieser Kantone ein griffigeres Öffentlichkeitsgesetz einführen. Im ökonomischen Bereich hingegen brilliert die Region durch eine moderate Steuerausschöpfung und tiefe fiskalische Belastung.

Im gesamtschweizerischen Ranking haben sich in der neusten Ausgabe des Avenir-Suisse-Freiheitsindexes keine tektonischen Verschiebungen ergeben. Auf dem Podest stehen wie im letzten Jahr Appenzell-Ausserrhoden (1.) vor dem Fürstentum Liechtenstein (2.) und Aargau (3.), dicht gefolgt von Schwyz (4.) und Zug (5.).

Blick auf die lateinische Schweiz

Stets lohnend ist ein Blick auf die lateinische Schweiz, und dort insbesondere auf den Kanton Jura – nicht nur wegen dessen neuer Bundesrätin: Der jüngste Kanton der Schweiz besetzt bereits zum zweiten Mal in Folge Platz 1 bei den zivilen Freiheiten, während er bei den ökonomischen Freiheiten erneut als Schlusslicht rangiert. Daraus resultiert immerhin Platz 7 im Gesamtranking, dicht gefolgt vom Tessin auf dem 8. Platz.

Neuenburg, die Waadt und Freiburg erscheinen im Mittelfeld auf den Plätzen 12, 15 und 17. Dabei ist es der Waadt in diesem Jahr gelungen, drei Ränge nach vorne zu rücken. Zurückzuführen ist dies u.a. darauf, dass sich die Bewertung der Staatsquote verbessert hat und der Anteil Beschäftigter im öffentlichen Sektor etwas gesunken ist. Am Schluss des Gesamttableaus finden sich das Wallis und Genf: Beide stehen bei den zivilen Freiheiten nur im Mittelfeld, während sie bei den ökonomischen Freiheiten schweizweit die schlechtesten Werte aufweisen.

Stark regulierte Stadtkantone

Interessant ist auch die Entwicklung der Stadtkantone Zürich und Basel-Stadt: Letzterer hat einen Rang verloren und findet sich auf Platz 6, was einem spürbaren Verlust an zivilen Freiheiten geschuldet ist. So fällt der Kanton beispielsweise bei der maximalen Dauer der Aufbewahrung von Videoüberwachungsdaten ab.

Der Kanton Zürich wiederum landet in der Gesamtrangierung genau in der Mitte aller Kantone auf Platz 13. Die ausgeprägte Verbotskultur und die wenig effiziente Bereitstellung der öffentlichen Sicherheit führen zu einer Rangierung bei den zivilen Freiheiten auf dem letzten Platz. Dass es Zürich für einen Schlussrang im Mittelfeld gereicht hat, verdankt der Kanton primär den freiheitlichen Schwächen seiner Konkurrenten. Denn sowohl die Steuerbelastung von Durchschnittsfamilien wie auch von Zweitverdienern hat sich im Schweizer Vergleich deutlich erhöht. Auch die Steuerausschöpfungsquote musste schlechter bewertet werden als im Vorjahr. Positiv zu erwähnen ist jedoch die Bonität und der hohe Grad der Dezentralisierung.

Die Narben des Sonderbundkrieges mögen verheilt sein, die föderalen Unterschiede sind geblieben – und damit der Ansporn, im Wettbewerb der Kantone zu bestehen.