Immer mehr Volksinitiativen wollen Schweizer Recht extraterritorial zur Anwendung bringen. Mit der Unternehmensverantwortungsinitiative soll eine Sorgfaltspflicht für Schweizer Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit im Ausland verfassungsmässig verankert werden – als ob international tätige Unternehmen nicht bereits heute ihre Verantwortung wahrnehmen würden. Dies würde letztlich zu einer Benachteiligung der ausländischen Zuliefererunternehmen mit negativen Effekten auf die wirtschaftliche Entwicklung in deren Heimatländern resultieren. Kosten in Milliardenhöhe wären die Folge.

Schweizer Recht auf eine höhere Stufe zu stellen als die Rechtsordnungen anderer Staaten erlebt einen regelrechten Boom auch bei Agrarinitiativen. Zwar wurde die «Fair-Food-Initiative» 2018 vom Stimmvolk deutlich abgelehnt, doch mit den Initiativen gegen die Massentierhaltung und für ein Pestizidverbot stehen bereits die nächsten Vorlagen an. Bei ersterer sollen für ausländische Produkte die gleichen Standards gelten wie hierzulande, bei der zweiten würde jeglicher Import von mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln hergestellten Lebensmitteln verboten.

Damit zeigt sich eine Überheblichkeit der Initiativen ganz nach dem Motto: Ausland, Du kannst mit der Schweiz zukünftig nur noch geschäften, wenn Du auch vollumfänglich Schweizer Recht befolgst. Solche extraterritoriale Anwendung des Schweizer Rechts würde die Rahmenordnung der ausgeprägt international verflochtenen Schweizer Wirtschaft zusehends unterlaufen. Globale Wertschöpfungsketten basieren darauf, dass beim Austausch von Gütern und Dienstleistungen das Rechtssystem des Handelspartners prinzipiell akzeptiert wird.

Schweizer Betrieb in Dakar. (ETH Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Der Vermischung von Globalisierungsängsten, Wachstumsskepsis und protektionistischen Bestrebungen steht die internationale Wirtschaftstätigkeit gegenüber. Der bereits 1958 von Leonard Read veröffentlichte Essay «I, pencil» illustrierte dies beispielhaft: Wir nutzen Gegenstände wie Bleistifte ganz selbstverständlich, auf die wir in Autarkie verzichten müssten. Den Graphit für die Mine stammt nicht aus einheimischen Wäldern, er wird in Bergwerkstollen in der Ukraine abgebaut. Maschinen für den Abbau des Graphits werden in den USA hergestellt. Der Holzabbau erfolgt in Schweden, der Stahl für die Säge stammt aus Russland, die Motorsäge für die Holzgewinnung aus der Schweiz. Zählt man alle Arbeitsschritte zusammen, sind Tausende von Menschen an der Produktion eines Bleistifts beteiligt, die sich niemals persönlich begegnet und die in unterschiedlichen Rechtsordnungen tätig sind.

Die hierzulande diskutierten Ideen zur extraterritorialen Rechtsanwendung verkennen die Internationalisierung der Wertschöpfung. Ein solcher Schweizer Rechtsimperialismus wäre ein fatales Handelshemmnis für unsere Unternehmen.

Dieser Beitrag ist am 7. März 2019 in der «Handelszeitung» erschienen. Weiterführende Informationen: «Schweizer Vögte in der Fremde».