Vor einer Woche haben wir an dieser Stelle dargelegt, warum eine Mehrwertsteuer (MWST) von 56% zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) keineswegs eine Erfindung von Avenir Suisse ist. Die Befürworter haben für ein BGE, das durchgehend zusätzlich zum Erwerbslohn ausbezahlt wird, schon ähnliche oder teilweise sogar höhere MWST-Sätze berechnet. Viele von ihnen argumentieren jedoch, das sei weiter kein Problem, denn da das BGE die Lohnnebenkosten senke und die Unternehmen dank dem BGE niedrigere Löhne zahlen könnten, fielen stattdessen die Produktionskosten und damit die (Netto-)Preise deutlich, was den MWST-Anstieg grösstenteils wettmache. Auch das stimmt leider nicht.

Keine Senkung der Lohnkosten

Erstens ändern die genannten 56 MWST-Prozent an den Lohnnebenkosten gar nichts, denn dieser Prozentsatz resultiert nur, wenn man davon ausgeht, dass alle bisherigen Sozialversicherungsabgaben und -steueranteile auf dem Lohn beibehalten und neu für die Finanzierung des Grundeinkommens eingesetzt werden. Sollen sie eliminiert werden, müsste die MWST für das BGE sogar auf 80% erhöht werden.

Zweitens bedarf es einer sehr seltsamen Interpretation des Begriffs Arbeitsmarkt, zu glauben, die Unternehmen könnten dank dem BGE die Löhne senken, da diese ja nun nicht mehr alleine existenzsichernd sein müssten: In einem halbwegs funktionierenden Arbeitsmarkt, der nicht überreguliert ist (und für die Schweiz ist diese Bedingung grösstenteils als erfüllt zu betrachten) richtet sich die Lohnhöhe nicht danach, was als «fair» empfunden wird oder was existenzsichernd ist, sondern sie bildet sich gemäss Nachfrage und Angebot des Faktors Arbeit und orientiert sich an der Grenzproduktivität des Arbeitnehmers. Wie viel Geld einem Arbeitnehmer aus anderen Einnahmequellen (wie z.B. dem Grundeinkommen) zusätzlich zur Verfügung steht, spielt in dieser Rechnung erstmal keine Rolle.

Das BGE würde allerdings zu einem Rückgang des Arbeitsangebots (in welchem Ausmass sei dahingestellt) führen. Vor allem im Niedriglohnbereich verknappte sich der Faktor Arbeit, womit dessen Grenzproduktivität stiege. In diesem Bereich stiege auch die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer, da die freiwillige Arbeitslosigkeit für viele plötzlich eine Option wäre. Beides spricht für einen Anstieg der Saläre in diesen Lohnregionen. Diese (korrekte) Überlegung führen BGE-Befürworter übrigens gerne in Feld, wenn es darum geht, die Vorteilhaftigkeit des BGE für den unteren Mittelstand zu belegen. Geht es dann aber um die Auswirkungen der BGE-Finanzierung auf die Preise, werden plötzlich sinkende Löhne und Produktionskosten angenommen. In Einzelfällen – nämlich dort, wo der mit dem BGE wegfallende gesellschaftliche Druck, existenzsichernde Löhne zu zahlen, bisher dazu geführt hat, dass diese künstlich hoch gehalten wurden – ist ein Sinken theoretisch vorstellbar. Unter dem Strich überwiegt jedoch sicher der erstgenannte Effekt.

An den Lohnnebenkosten ändert sich also nichts, und die Löhne im Niedriglohnbereich werden tendenziell steigen. Jegliche Erhöhung der MWST zur Finanzierung des BGE würde deshalb voll auf die Konsumentenpreise durchschlagen.

Monströse Mikrosteuern

Oswald Sigg, ehemaliger Vizekanzler und Bundesratssprecher, heute Mitglied des BGE-Initiativkomitees, schlug deshalb kürzlich im Tages-Anzeiger eine ganz andere Finanzierungsvariante vor: Warum nicht einfach alle Banktransaktionen mit einer klitzekleinen Steuer belegen? Diese summierten sich pro Jahr angeblich auf 100‘000 Mrd. Franken. Also 100 Billionen. Also 160 Mal das Schweizer BIP. Schon eine Besteuerung mit 2 Promille würde ausreichen, um das gesamte BGE (Kostenpunkt: 200 Mrd. Fr.) zu finanzieren, rechnet Sigg vor.

Was er dabei vergisst: 200 Mrd. Fr. bleiben 200 Mrd. Fr., auch wenn sie nur 2 Promille von 100 Billionen ausmachen – 100 Billionen, die volkswirtschaftlich eine irrelevante Grösse darstellen, denn es handelt sich dabei nicht um Wertschöpfung, sondern um blossen Gelddurchlauf. Bezahlt werden kann jedoch nur mit erwirtschaftetem Geld. Die gesamte Schweiz erwirtschaftet jährlich 600 Mrd. Fr., ihr Bankensektor 36 Mrd. Fr. und damit weniger als einen Fünftel der vom BGE zur Umverteilung vorgesehenen Summe.
In der Idee, Geldtransaktionen zu besteuern, manifestiert sich vorzüglich die fragwürdige Sichtweise vieler BGE-Befürworter: «Das Geld liegt ja rum, warum nehmen wir es nicht einfach für das Grundeinkommen?» Der Blick titelte vor einigen Wochen provokativ, das BGE sei Diebstahl am Volkseinkommen. Spätestens mit dieser «Mikrosteuer» wäre es das tatsächlich in Reinform, denn das hiesse: Wann immer irgendwo (hart oder weniger hart erarbeitetes und schon versteuertes) Geld abgehoben, einbezahlt, transferiert oder investiert wird, sollen ein paar Promille davon abgezwackt werden, um ein Grundeinkommen für jene zu finanzieren, die lieber keiner Erwerbsarbeit nachgehen wollen.
Mit einer Steuer auf Banktransaktionen haben übrigens schon verschiedene Länder in Südamerika experimentiert. Mit dem Resultat, dass fast nur noch in Cash gehandelt wurde.

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