Was möchtest du einmal werden? Welches Studium interessiert dich? Solche Fragen zu beantworten, fällt Jugendlichen selten leicht. Und jetzt verstärkt die Corona-Pandemie noch den bereits existierenden Entscheidungsdruck. Diesen Sommer muss sich bereits der zweite Abschlussjahrgang an Maturanden diesen Herausforderungen stellen. Durch die Pandemie gar früher als sonst.

In regulären Jahren befasst sich die Mehrheit von ihnen nicht mit der Suche nach dem präferierten Studiengang, sondern mit möglichen Zwischenlösungen. Medienberichten zufolge liegt das Interesse bei Maturandinnen nach einem Zwischenjahr bei knapp 80 Prozent. Durch die Corona-Pandemie sind die entsprechenden Möglichkeiten jedoch deutlich beschränkt. Einerseits sind Sprachaufenthalte und Auslandreisen aufgrund der Reisebeschränkungen schwierig, andererseits ist das Angebot an Praktika aufgrund von Kurzarbeit und Homeoffice geringer bzw. weniger attraktiv. Ein Praktikum im Homeoffice zu absolvieren, fordert sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer zusätzlich heraus.

Auf direktem Weg in den Vorlesungssaal

Die meisten Maturanden zieht es aufgrund fehlender Alternativen auf direktem Weg an die Hochschule, wenn sie sich nicht in die Rekrutenschule, in den Zivildienst oder den Zivilschutz begeben. Die Studienwahl wird also nicht auf die lange Bank geschoben. Und der vorverlegte Tag der Entscheidung birgt gleich mehrere Herausforderungen.

Jugendliche mussten ihre Reisepläne auf später verschieben. (Bild: Andrew Neel/Unsplash)

Informationstage an Hochschulen ermöglichen den zukünftigen Studierenden einen Einblick in die Welt, von der sie bald Teil sein könnten. Einmal den Campus auf sich wirken lassen. Einmal die Strassen rundherum auskundschaften und mit ersten Professoren und zukünftigen Kommilitoninnen in Kontakt kommen. Diese ersten Eindrücke einer Hochschule sind ein wichtiger Teil der Studienwahl. Ebenso wichtig wie die ersten Eindrücke der potenziellen Studiengänge. In diesem Jahr finden Informationstage – und auch manche Vorlesungen – wiederholt rein digital statt. Ausserdem fehlt vielen dieses eine Jahr, in dem sie aufgrund von Nebenjobs wie eine Saison als Skilehrer oder einem Praktikum im Krankenhaus wertvolle Erfahrungen und Einblicke hätten sammeln können. Einblicke, die in der persönlichen Entwicklung eine wichtige Rolle spielen können. Sie tragen zum Beispiel wesentlich dazu bei, dass Jugendliche besser einschätzen können, was zu ihnen passt und was nicht.

Es stellt sich die Frage, ob der direkte Weg an die Universität wirklich die einzige Lösung ist, oder ob alternative Angebote machbar wären. Ein vielversprechender Ansatz könnte hier beim Zivildienst und -schutz liegen. Es wäre denkbar, dass Jugendliche (unabhängig des Geschlechts) einen erleichterten und direkten Zugang zu solchen Einsätzen erhielten, ohne durch die regulären Prozesse der Armee zu gehen. Einsatzbereiche könnten auch ausserhalb der herkömmlichen Betriebe und sozialen Einrichtungen liegen, wie zum Beispiel beim kantonalen Contact-Tracing oder in Testzentren. Das Engagement für solche Alternativen muss jedoch nicht zwingend von Seiten des Bundes kommen. Auch zivilgesellschaftlich organisierte Gruppen oder Nichtregierungsorganisationen könnten im Hinblick auf Einsätze innerhalb der Schweiz aktiver werden und Alternativen zum direkten Einstieg in die Hochschule kreieren.

(Noch) kein einschneidender Schaden

Der Druck, sich nun doch schon früher für ein Studienfach zu entscheiden, eröffnet auch Chancen. Warum zum Beispiel sich nicht für ein Studienfach einschreiben, das man sich normalerweise vielleicht nicht zugetraut hätte? Die Anmeldungen für Bachelorstudiengänge haben im vergangenen Herbst zugenommen. An der Universität Basel zum Beispiel stieg die Zahl der Anmeldungen für Bachelorstudiengänge um 7 Prozent. An der Universität Zürich gar um 15 Prozent (Wobei die Zunahme bei Masterstudiengänge bei 25 Prozent lag). Interessant wird es sein zu sehen, ob im kommenden Herbst mehr Studierende als sonst ihr Studienfach nochmals wechseln werden.

Dank der Aufteilung in Bachelor- und Masterstudium ist es für die Studierenden auch nach dem Bachelor noch möglich, ein Zwischenjahr einzulegen. Negative Einflüsse des fehlenden Zwischenjahres auf die beruflichen Perspektiven der Gymnasiasten sollten also gering ausfallen. Wie viel ein Zwischenjahr sich tatsächlich auf die berufliche Laufbahn auswirkt, lässt sich nur schwer messen und hängt stark von der jeweiligen Fachrichtung ab. Und natürlich kommt es darauf an, was im jeweiligen Zwischenjahr gemacht wurde.

Grundsätzlich erfordert die aktuelle Situation von den Maturantinnen und Maturanden mehr Flexibilität. Dass sich die Schüler teils neu orientieren müssen, kann auch neue Perspektiven öffnen. Die Situation leitet sie dazu an, Alternativen zu erforschen, die ihnen im Normalfall nicht eingefallen wären. Diesen Optimismus brauchen die Jugendlichen jetzt, um das beste aus der Situation zu machen. Doch brauchen sie dabei auch die nötige Unterstützung und die Bereitschaft von Bund und Unternehmen, echte Alternativen zu ermöglichen. Dazu gehört einerseits, ihnen die vorhandenen Optionen aufzuzeigen, anderseits auch, den Druck zu nehmen, jetzt mit der Studienwahl die ganze Zukunft vorzuspuren.

Dieser Beitrag ist Teil einer Blogserie zum Thema Jugendliche in der Pandemie. Jugendliche erleben vor dem Eintritt ins Berufsleben auch in «normalen» Jahren eine prägende Zeit. Die Corona-Pandemie hat diesen Übergang von obligatorischer Schulzeit oder Studium ins Berufsleben nochmals verschärft. In einer Blogserie zeigen wir auf, welchen Herausforderungen sich die Jugendlichen in verschiedenen Zeitpunkten ihrer Ausbildung derzeit stellen müssen.