Zwei Faktoren prägen die jüngste Entwicklung der Schweizer Agglomerationen: die zunehmende Einwanderung hoch qualifizierter Arbeitnehmer und ein neu aufkommendes Interesse am städtischen Leben. Der Wohnungsmangel wird so zu einem politischen Spannungsfeld. Muss man auf die hören, die die Attraktivität unserer Städte reduzieren wollen, um die Wohnungsnot zu bekämpfen? Oder sind höhere Mieten schlicht das Schicksal von Bewohnern kleinflächiger Gebiete?

Das Diskussionspapier «Une pénurie fait maison. Le malaise immobilier genevois: ses causes, ses remèdes» von Marco Salvi zeigt, dass es zur Lösung der Wohnungskrise vernünftigere Ansätze gibt als die Dämpfung des wirtschaftlichen Wachstums. Denn mehr als andernorts sind die Probleme in Genf hausgemacht: Der Grundstücksmarkt ist der am stärksten regulierte der Schweiz – gleichzeitig wird dort am wenigsten gebaut. Im Bemühen um einen «gerechten Preis» für Grundstücke und Mieten, das zum Scheitern verurteilt ist, behindert das Genfer System Bauprojekte und setzt Marktmechanismen ausser Kraft. Die so geschaffene Wohnungsnot beeinträchtigt die Lebensqualität der Bevölkerung.

Die Studie sieht sich in der Tradition der vorherigen Avenir-Suisse-Veröffentlichungen «Le feu au lac» und «Wanderung, Wohnen und Wohlstand». Anhand des Beispiels Genf stellt «Une pénurie fait maison» sowohl einige praktische Lösungsvorschläge als auch einige grundlegende Ansätze vor, um die Wohnungskrise zu bekämpfen, die auf lange Sicht die Entwicklung der gesamten Metropolitanregion Genf zu gefährden droht.

Einige Lösungsvorschläge in Kürze:

  1. Liberalisierung der Preise, Besteuerung der Renten: Mieten und Bodenpreise müssen die tatsächliche Knappheit an Wohnraum spiegeln. Nur so werden die richtigen Anreize für die Verdichtung der Agglomeration und die Erweiterung des Wohnangebotes gesetzt. Zudem schränken Marktmieten den übermässigen Konsum an Wohnraum und Boden ein. Selbstverständlich dürfen dabei die am stärksten Benachteiligten nicht vergessen gehen. Mit einer angemessenen Besteuerung des Bodens (Mehrwertabgabe) stünden Mittel für eine gezieltere Unterstützung der einkommensschwachen Haushalte zur Verfügung.
  2. Abschaffung von Bau- und Renovationshindernissen: Von der Aufhebung des Gesetzes über den Abbruch, den Umbau und die Renovation von Wohnhäusern (LDTR) verspricht sich die Studie ebenfalls eine Verbesserung der Vorsorgesituation. Weitere Massnahmen umfassen die gezielte Bebauung von bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie das Bauen in die Höhe.
  3. Anpassung der Spielregeln: Die Studie plädiert für eine Einschränkung der Objekthilfe unter Beibehaltung der Subjekthilfe. Eine gezielte Belohnung der Gemeinden, die Wohnraum schaffen, ist ebenfalls zu erwägen. Um die Partikularinteressen einzugrenzen, müssen jedoch die massgeblichen Herausforderungen womöglich auf kantonaler Ebene gelöst werden, beispielsweise im Rahmen des kantonalen Richtplans.
  4. Entspannung der städtischen Bausituation: Die Realisierung wichtiger innerstädtischer Bauprojekte muss forciert werden, beispielsweise in den Stadtvierteln Praille-Acacias-Vernets (PAV), Pointe de la Jonction und Sécheron-Gare Cornavin.

Alle diese Vorschläge zielen darauf ab, Ventile für einen Wohnungsmarkt zu schaffen, der heute unter grossem Druck steht. Wenn entgegengesetzte Interessen aufeinanderprallen und eine rigide Wohnungspolitik lediglich auf den Schutz der Insider ausgerichtet ist, sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Genf – und später weitere städtische Gebiete der Schweiz – laufen so Gefahr, den Wachstumsmotor abzuwürgen.