Die Nachfrage nach vertiefter Allgemeinbildung steigt. Doch darüber will sich kaum jemand richtig freuen, selbst gymnasiale Kreise nicht. Die öffentliche Diskussion wird von der Problematisierung dieser Entwicklung dominiert. In der Bildungsbeilage einer grossen Tageszeitung war von einer «bedenklichen Entwicklung» die Rede. Warum eigentlich? An sich ist es eine erfreuliche Nachricht, wenn mehr motivierte Jugendliche Interesse an höherer Bildung bekunden. Hintergrund der verbreiteten Skepsis gegenüber dem (vermeintlichen) Boom der Mittelschulen ist die Sorge um die Berufsbildung. Diese ist sehr ernst zu nehmen, denn das Schweizer Wirtschaftsund Gesellschaftmodell basiert zu einem wesentlichen Teil auf der Berufslehre.

Mit der Zunahme von bildungsnahen Schichten steigt aber der Anteil derjenigen, die – zumindest potenziell – ein Gymnasium bestehen können. Diese gesellschaftliche Entwicklung kann mittels Quoten kurzfristig zurückgedrängt werden, längerfristig ist sie wohl nicht aufzuhalten. Für die Berufsbildung heisst dies einerseits, dass sie nach Wegen suchen muss, ihre Angebote noch attraktiver zu gestalten. Im Idealfall wird die zentrale Bildungsweiche nicht eindimensional entlang derkognitiv-intellektuellen Fähigkeiten gestellt, sondern es entscheiden sich auch schulisch Begabte bewusst für eine Karriere via Berufsbildung. Andererseits muss das bewährte «duale Prinzip» auch auf Hochschulstufe verankert werden. AvenirSuisse hat darum ein duales Studium vorgeschlagen. Gerade junge Männer suchen heute nach praxisnahen Studiengängen. So könnte das Gymnasium für sie wieder attraktiver werden.

Messlatte für die Erlangung der Matur sollte die Leistung und die spätere Studierfähigkeit sein. Wenn dies dazu führt, dass in 20 Jahren einige Jugendliche mehr diesen Weg beschreiten, so ist dies kein Unglück, sondern erfreulich.

Dieser Artikel erschien in der «Zürcher Wirtschaft» vom 13. Oktober 2011.