Der Wohnungsmarkt wird mehr und mehr als soziale Problemzone wahrgenommen, im Kanton Zürich mehr noch als anderswo. Obwohl die durchschnittliche Belastung der Zürcher Haushaltsbudgets durch die Mieten seit langem bei gut 20 Prozent verharrt, wähnt sich sogar der Mittelstand unter Druck. Doch wie präsentiert sich die Situation für die schwächsten Haushalte?

Breiter Konsens für Objekthilfe

Gemäss der Haushaltsbudgeterhebung der Jahre 2009-2011 gaben die 10 Prozent ärmsten Zürcher Haushalte im Mittel 1215 Franken pro Monat für Miete (und Energie) aus. Vor allem die armen Single-Haushalte gaben aufgrund ihres bescheidenen Einkommens von 3000 Franken viel für das Wohnen aus – fast 38 Prozent ihres Budgets. Einkommensschwache Paare mit Kindern mussten hingegen nur gut einen Viertel ihrer Einkünfte für das Wohnen aufwenden. Für sie wirkt sich die Haushaltsgrösse positiv aus, denn eine doppelt so grosse Wohnung ist nicht zweimal so teuer (sondern nur rund 30-40 Prozent), während das Einkommen (6240 Franken) mehr als doppelt so hoch liegt. Single zu sein, ist also ein Risikofaktor. In besonderem Mass betroffen sind naturgemäss Alleinerziehende. Immerhin blieb die Belastung der schwächsten Haushalte in den letzten zehn Jahren etwa konstant, weil sogar die kleinen Einkommen mit den Mieten mithalten konnten.

Was tut der Staat? Die Wohnungspolitik des Kantons Zürich basiert auf Objekthilfe. Besonders die grossen Städte fördern Wohnbaugenossenschaften als gemeinnützige Wohnbauträger. Die Unterstützung geschieht indirekt über die Vergabe von Baurechten unterhalb der Marktbedingungen, über zinsgünstige Darlehen und Bürgschaften. Die Genossenschaften können ihre Wohnungen so rund 30 Prozent unter dem Preisniveau des privaten Marktes anbieten. Schätzungsweise ein Drittel der Genossenschaften profitiert heute von diesen Massnahmen. Im Lauf ihrer Existenz dürften aber die meisten von ihnen in den Genuss solcher Vorteile gekommen sein. Die Stadt Zürich vermietet zudem günstige Wohnungen aus ihrem Eigenbestand. Und der Weg führt weiter in Richtung Objekthilfe: Eine klare Mehrheit des Zürcher Stimmvolks sprach sich im September 2014 dafür aus, dass die Gemeinden Zonen bezeichnen können, in denen strenge Mietkontrollen gelten. Das Kernproblem dieser Politik besteht darin, dass die entstehende Umverteilung nicht primär von oben nach unten verläuft.

Zwar sind die tiefsten Einkommensklassen in Stadtzürcher Genossenschaften leicht übervertreten. Gemäss einer letztjährigen Studie der Stadtentwicklung Zürich belegen die ärmsten 20 Prozent (das erste Quintil) 23 Prozent der Wohnungen. Tatsache ist aber ebenso, dass der untere und mittlere Mittelstand im Vergleich zum privaten Mietmarkt deutlich übervertreten ist. Und schliesslich: Über ein Drittel der Genossenschafter gehören zur Gruppe der 40 Prozent mit höchsten Einkommen Ähnliches gilt für das Vermögen: Sehr Reiche findet man in Genossenschaftswohnungen zwar nicht, doch sind Vermögen bis 200 000 Franken übervertreten. Der gemeinnützige Wohnungsbau verteilt seine Vorteile also vor allem innerhalb des Mittelstandes und nicht zugunsten der Schwächsten. Nach den Debatten um Belegungsvorschriften und Einkommensgrenzen dürfte sich die Situation zwar etwas zum Besseren wenden. Gemäss eigenem Bekunden möchten sich die Genossenschaften aber weiter dem Mittelstand öffnen, das omnipräsente Zauberwort heisst Durchmischung.

Gute Argumente für Subjekthilfe

Wirksame Wohnungspolitik zugunsten der Ärmsten sähe anders aus. Viele gute Argumente sprechen für einen Übergang zur Subjekthilfe, das heisst zur zielgerichteten Ausrichtung von Wohngeldern: Transparenz, Effektivität und vor allem Vermeidung von Verzerrungen des Wohnungsmarktes. Dass solche Ideen politisch auf taube Ohren stossen, hat wohl damit zu tun, dass zu viele Pfründen auf dem Spiel stehen.

Dieser Artikel erschien im «NZZ Domizil» vom 09.01.2015.