Vor allem der mobile Mittelstand ist betroffen. Was tun?

Die Zuwanderung hat vor allem im Grossraum Zürich und am Genfersee dazu geführt, dass Wohnungen nur schwierig und zu hohen Preisen zu finden sind. Die Linke verlangt deshalb einen Ausbau des gemeinnützigen Wohnungsbaus und die Umsetzung der Kostenmiete. Begründet werden die Forderungen damit, dass der Markt nicht spiele: Der Boden lasse sich nicht vermehren, weshalb Spekulanten freie Hand hätten, die Mieter auszubeuten.

Diese Argumentation ist abenteuerlich. Das Land lässt sich mit einer höheren Ausnützung ökonomisch sehr wohl vermehren. Angesichts Tausender privater Anbieter ist eine Kartellbildung undenkbar. Schliesslich verdreht der Ruf nach Einschränkung der Marktkräfte die Zusammenhänge. Der Wohnungsmangel ist heute akut, aber schon seit Jahrzehnten chronisch.

Der Kern des Problems: Obwohl Wohnraum in den Städten begehrt ist, beanspruchen die Stadtzürcher mit 43 Quadratmeter Wohnfläche pro Einwohner kaum weniger Platz als der Durchschnitt im Kanton. Der Wohnungsbestand wird unternutzt, weil die mit historischen Kosten kalkulierten Mieten den Eingesessenen nicht signalisieren, wie knapp der  Wohnraum ist. Den Mietern wird im Gegenteil suggeriert, der Markt entspanne sich: Das Mietrecht verlangte wegen der tieferen Hypothekarzinsen Mietzinssenkungen. In den Genuss davon kommt allerdings nur, wer nicht umzieht. Wer die Wohnung wechselt, verliert diesen Anspruch.

Aufgrund der Unternutzung des Bestandes lässt sich ein Teil der Nachfrage nicht befriedigen. Diese nimmt aber zu, was die Preise weiter erhöht. Die Zeche zahlen jene, die nicht das Privileg einer langjährigen Altwohnung geniessen, wegen ihrer guten Einkommen keine Genossenschaftswohnung bekommen und sich auf den «Beziehungsmärkten» nicht auskennen: die jüngeren und mobilen Angehörigen des Mittelstandes.

Langfristig sind erträgliche Mieten nicht mit weniger, sondern mit mehr Markt zu haben: Wenn sich das Angebot flexibel ausdehnen lässt; wenn die Vermieter Anreize bekommen, Wohnungen anzubieten; wenn die Nachfrager bei knappem Angebot haushälterisch mit dem Wohnraum umgehen.

Dieser Artikel erschien im Tages Anzeiger am 4. Mai 2011