Der Trend zu mehr Teilzeitarbeit ist ungebrochen: 2013 waren knapp 9% der männlichen Arbeitnehmer mit einem Beschäftigungsgrad zwischen 50% und 90% angestellt. Dieser Anteil hat sich seit 1991 annähernd verdreifacht. Dazu kommt ein leicht steigender Anteil von Männern mit einem Beschäftigungsgrad unter 50%. Bei dieser zweiten Gruppe ist das tiefe Pensum oft nicht selbst gewählt. Vielmehr verbirgt sich hinter diesen 5% der Erwerbstätigen ein beträchtlicher Teil von wenig Qualifizierten, die unfreiwillig unterbeschäftigt sind. Es handelt sich nicht um Teilzeitarbeit, sondern um Teilzeitarbeitslosigkeit. Über den Daumen gepeilt kann man von einer (freiwilligen) männlichen Teilzeitquote von etwa 12% ausgehen. Zum Vergleich: Bei den Frauen beträgt die Teilzeitquote fast 60% und Pensen unter 50% machen fast die Hälfte davon aus.

Ein Fünftel Teilzeitmänner bis 2020

Der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen (männer.ch) lancierte unlängst die Kampagne «Der Teilzeitmann». Sie setzt sich zum Ziel, den Teilzeitanteil unter den erwerbstätigen Männern bis 2020 auf 20% zu steigern. Hinter der Kampagne stehen primär gleichstellungspolitische Anliegen: Den Männern soll auf diese Weise ermöglicht werden, sich mehr in den Familienalltag einzubringen und mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Damit soll den Frauen die Erwerbstätigkeit erleichtert werden. Die Projektleitung vertritt ihre Sache wohltuend entspannt, sachlich und ohne jenen missionarischen Eifer, von dem viele Vertreter(-innen) der Gleichstellungsbewegung beseelt sind. Dies ist daran ersichtlich, dass neben mehr Familienzeit auch andere Gründe für Teilzeitarbeit als legitime Motive erachtet werden: Stressreduktion, Prävention von Burn-Outs oder einfach mehr Lebensqualität und persönliche Freiheit. Argumentativ unterstützt wird das Anliegen durch eine oft zitierte Umfrage, gemäss der neun von zehn Männern den Wunsch nach Teilzeitarbeit äusserten. Insgesamt also ein sympathisches Anliegen, gegen das vernünftigerweise nichts einzuwenden ist? Einige kritische Fragen und Anmerkungen drängen sich trotzdem auf.

Das 20 %-Ziel ist ehrgeiziger als gedacht

Das Ziel von 20% Teilzeitmännern bis 2020 erscheint zumindest auf den Blick nicht allzu ambitioniert oder gar utopisch. Schreibt man den seit 2000 geltenden Trend fort, so landet man 2020 bei einem Teilzeitanteil von 16%, es fehlen also 4 Prozentpunkte. In absoluten Zahlen bedeutet dies: es müssten 100000 Männer (4% von 2,45 Millionen) zusätzlich zu Teilzeitarbeit motiviert werden. Und sollte sich das wirtschaftliche Klima in der Zwischenzeit verdüstern (was nicht unwahrscheinlich ist), würde der geltende Trend wohl schnell gebrochen. Zudem müssten die Teilzeitarbeitslosen aus der Rechnung eliminiert werden. So gesehen ist das 20%-Ziel wesentlich ambitiöser als gedacht. Ob es erreicht werden kann, ist ungewiss. Die entscheidende Frage ist aber, ob eine quantitative Vorgabe sinnvoll ist.

Wahrer Wunsch oder «Political Correctness»?

Die Ergebnisse der erwähnten Umfrage können nämlich nicht unbesehen zum Nennwert genommen werden. In vielen Kreisen ist es für, aufgeschlossene » Männer schon fast politisch unkorrekt geworden, den Teilzeitwunsch nicht zu äussern. Dies gilt erst recht, wenn Familienpflichten rufen. Diese Stimmung dürfte das Antwortverhalten in der Befragung massgeblich beeinflusst haben. Vermutlich waren sich die Befragten auch über die Kosten nicht im Klaren. Ein Wunsch wird aber erst zur Tat, wenn ihm auch das Preisschild angehängt wird.

Arbeitnehmer sind nicht mehr die Bittsteller

Dazu kommt: In Zeiten des Fachkräftemangels und schrumpfender Jahrgänge haben sich die Gewichte auf dem Arbeitsmarkt grundlegend verschoben. Arbeitskräfte sind heute nicht mehr einfach Bittsteller, die sich mit unabänderlichen und rigiden Realitäten konfrontiert sehen. Heute müssen sich Unternehmen den Ansprüchen und Vorstellungen der Arbeitskräfte öffnen, wenn sie im Wettbewerb um die begehrten Fachkräfte bestehen wollen. Mit der Möglichkeit von Teilzeitarbeit und flexibler Arbeitszeitgestaltung betreiben vielen Firmen seit Jahren eine erfolgreiche Personalpolitik und erhöhen die Mitarbeiterzufriedenheit. Sollte tatsächlich eine überwältigende Mehrheit von Männern (9 von 10) Teilzeit arbeiten wollen, so wäre dieser Wunsch schon längst Realität geworden. Im Umkehrschluss muss das Umfrageergebnis zumindest stark relativiert werden.

Im Widerspruch zur Fachkräfteinitiative

Was für ein einzelnes Unternehmen eine sinnvolle Strategie sein kann, nämlich die Förderung der Teilzeitarbeit, kann gesamtwirtschaftlich zum Problem werden. Die Schweiz leidet heute unter Fachkräftemangel in fast allen Wirtschaftszweigen. Die jahrelange massive Zuwanderung bei gleich bleibender Arbeitslosigkeit ist nur so erklärbar. Ein beschleunigt steigender Teilzeitanteil der Männer würde den Fachkräftemangel in der Schweiz tendenziell noch verschärfen. Gleichzeitig wird die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative (wahrscheinlich) dazu führen, dass fehlende Arbeitskräfte nicht mehr unbeschränkt aus dem Ausland rekrutiert werden können. Als Ausweg aus diesem Dilemma wollen der Wirtschaftsminister und das Staatsekretariat für Wirtschaft (SECO) mit einer Fachkräfteinitiative das vorhandene inländische Potenzial (Frauen, ältere Arbeitnehmer/-innen) noch besser ausschöpfen. In dieser Perspektive steht die Teilzeitmann-Kampagne etwas schief in der Landschaft, unabhängig davon, wie erfolgreich die Fachkräfteinitiative sein wird. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie (um nicht zu sagen: es ist widersprüchlich), dass der Bund auf der einen Seite um inländische Fachkräfte ringt, und diese Fachkräfte gleichzeitig zu mehr Teilzeit animiert.

Der Ersatz funktioniert nur beschränkt

Diesem Argument wird von Seiten der Projektinitiatoren entgegengehalten, dass das verminderte Arbeitsvolumen der Teilzeitmänner durch ein höheres Engagement der Frauen auf dem Arbeitsmarkt ausgeglichen werde, weil sie von der Familienarbeit entlastet würden. Dies könnte sich aus zwei Gründen als trügerische Hoffnung entpuppen. Erstens war das in Stunden gemessene Arbeitsvolumen der Schweizerinnen und Schweizer seit 2008 leicht rückläufig. Das abnehmende Arbeitsvolumen der Männer konnte durch die höhere Partizipation der Frauen nicht ganz kompensiert werden. Zweitens und noch wichtiger: Frauen und Männer arbeiten in zu unterschiedlichen Branchen und Berufen, als dass der Ersatz von männlicher durch weibliche Arbeitskraft im grossen Massstab funktionieren wird.

«Recht auf Teilzeit» wäre kontraproduktiv

Viel gefährlicher sind aber weitergehende «Ideen». Schon werden nämlich Stimmen laut, die ein «Recht auf Teilzeitarbeit» gesetzlich verankern möchten, bei gleichzeitigem Ausbau des Kündigungsschutzes, um dieses Recht auch durchzusetzen. Eine solche Regulierung wäre nicht nur unnötig, sondern völlig kontraproduktiv, denn diese Einschränkung der unternehmerischen Freiheit würde dem Arbeits- und Werkplatz Schweiz massiv schaden. Die Folgen wären Beschäftigungsabbau oder gar Abwanderung von mobilen Firmen. Das Privileg, über Teilzeitarbeit und flexible Arbeitsgestaltung nachzudenken, steht und fällt mit einem funktionierenden Arbeitsmarkt und der Absenz von Arbeitslosigkeit. Solche Diskussionen zeigen einmal mehr, dass die Vorteile des (noch) liberalen Arbeitsmarktes und -rechtes zu wenig verstanden und gewürdigt werden.

Spielraum ist vorhanden

Der Teilzeitanteil der Männer wird voraussichtlich weiter langsam ansteigen. Wieviel Zeit und Energie man(n) in Arbeit und Karriere steckt, muss aber eine persönliche Entscheidung bleiben. Im Hochlohnland Schweiz besitzt die Mehrheit der Menschen das Privileg, über viel Handlungsspielraum zu verfügen. Wenn eine solche Kampagne vor allem Mut machen will, einige Denkblockaden zu lösen und diesen Spielraum im Sinne der persönlichen Freiheit zu nützen, ist dagegen nichts einzuwenden. Letztlich wissen mündige Menschen aber selbst am besten, was für sie gut ist. Sozialer Druck sollte hingegen nicht ausgeübt werden, und auf quantitative Ziele sollte man besser verzichten. Viele Gleichstellungsbüros werden sich nämlich auch mit 20% Teilzeitmännern nicht zufrieden geben.

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe  «ZV Info» des «Öffentlichen Personal Schweiz» vom Oktober 2014.