Über lange Zeit verhinderte die Überregulierung der Käsewirtschaft Wettbewerb und Produktdifferenzierung. Kein Wunder, begrenzte sich der internationale Ruf des «Swiss Cheese» meist nur auf den löchrigen Emmentaler. Die Liberalisierungswelle um die Jahrtausendwende bot einen Ausweg.
Die Schweiz ist eine Nation von Käseliebhabern. Sogar unser nationales Ski-Team schickten wir einst im Käseanzug ins Rennen. Derzeit zählt man ca. 450 Schweizer Käsesorten, und ganze 22 kg Käse pro Jahr verspeisen Herr und Frau Schweizer im Durchschnitt. Die entscheidende Wegmarke bei der Entwicklung des Käsemarkts war die Auflösung des Schweizerischen Käseunion im Jahr 1999, weil die darauffolgenden Liberalisierungsmassnahmen Innovation und Qualitätsverbesserungen ankurbelten. Eine kurze Tour d’Horizon zeichnet die bewegte Geschichte eines der wichtigsten Schweizer Markenzeichen nach.
Vorwurf der «Swiss Cheese Mafia»
Die nationale Milchwirtschaft und der ihr nachgelagerte Käsemarkt waren einst das Juwel der Schweizerischen Agrarpolitik. Entsprechend wurden sämtliche Stufen der Wertschöpfungskette politisch reglementiert: Es gab staatliche Eingriffe in Produktionsmengen und Preisbildung, strenge Bewilligungspflichten sowie Sortenvorschriften für Käsereien, hohe Zölle oder sogar Importverbote, während die Exporte weitgehend staatlich gestützt wurden.
Die Koordination all dieser Massnahmen lag zwischen 1914 und 1999 bei der Schweizerischen Käseunion (SKU), der sowohl Milchproduzenten, Käser als auch Käseexportfirmen angehörten. Nach der Gründung, die zu Beginn des Ersten Weltkriegs auf Drängen des Bundes erfolgte, entwickelte sich die SKU zunehmend in eine Marketing- und Handelsorganisation und baute ihre Einflusssphäre kontinuierlich aus. Beispielsweise vergab sie den Käsern Kontingente für die Produktion einer festgelegten Menge und garantierte im Gegenzug deren Abnahme zu einem fixen Preis. Der Käser profitierte somit von der Abnahmegarantie, konnte aber nicht selbst bestimmen, wie er seine Milch verwertete. In der Folge wurden hauptsächlich nur noch die «Unionskäse» Emmentaler, Greyerzer und Sbrinz hergestellt. Für die Produktion anderer Sorten brauchte es eine spezielle Bewilligung vom Bund, ausserdem wurden diese nicht von der SKU vermarktet und erhielten auch keinen offiziellen Genehmigungsstempel. Zu allem Übel war der Zoll auf Nicht-Unionskäse so hoch, dass sich sein Export nicht lohnte. Böse Zungen der internationalen Presse bezeichneten die Käseunion gar als «Swiss Cheese Mafia».
Auf jeden Fall hatte sich mit der Käsebürokratie ein kostspieliges, marktfernes System entwickelt, das den Bauern keinen Anreiz lieferte, um auf Marktrealitäten und Konsumentenwünsche zu reagieren. Eigeninitiative und neue Käserezepturen blieben auf der Strecke, echter Wettbewerb wurde verunmöglicht und jeglicher Unternehmergeist ausgehöhlt. Spätestens ab 1953 verzeichnete die Käseunion keine Gewinne mehr, der Käsekonsum und die Exporte gingen zurück und die Käsehändler wurden ihren subventionierten Käse nicht los. Doch die mangelnde Nachfrage wurde noch lange mit Steuergeldern kompensiert. Allein im Geschäftsjahr 1994/95 verbuchte die Käseunion Verluste zwischen 460 Mio. Fr.
Der befreite Käse
Im Jahr 1999 wurde die Käseunion schliesslich liquidiert. Auslöser waren Sparbestrebungen beim Bund, der internationale Druck zu einer weltweiten Agrarliberalisierung aber auch diverse aufgedeckte Betrugs- und Hinterziehungsfälle. Schrittweise hob man Preis-, Absatz- und Abnahmegarantien auf, und reduzierte Zölle, weitere technische Handelshemmnisse und Exportstützen. Seit 2007 ist der Schweizer Käsemarkt mit der EU vollständig liberalisiert, was zahlreiche positive Entwicklungen nach sich zog: steigende Exporte des Schweizer Käses, eine breitere Käseauswahl für die heimischen Konsumenten, sinkende Preise und, damit verbunden, ein gestiegener Käsekonsum.
Dieser Beitrag ist Teil der Blogserie «Liberalismus konkret», in welcher wir uns mit den Errungenschaften liberalen Denkens und Handelns befassen.
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