Avenir Suisse hat zwölf Ökonomen um ihre Einschätzung zu einigen der wichtigsten Baustellen der Schweizer Steuerpolitik gebeten. Ihr Urteil ist ernüchternd: in den meisten Bereichen der Steuerpolitik werden grundlegende Einsichten der Finanzwissenschaft von der Politik missachtet. Stattdessen wird der steuerpolitische Alltag immer öfter vom Kleinkrieg der Partikularinteressen dominiert, der die Kohärenz des Schweizerischen Steuersystems und sein Markenzeichen – den Steuerföderalismus – untergräbt.

Die Bundeserbschaftssteuer stellt einen Schwerpunkt der Publikation dar. Die Avenir-Suisse-Autoren stehen ihr kritisch gegenüber, auch wenn sie gemessen an üblichen finanzwissenschaftlichen Kriterien nicht schlecht abschneidet. Eine solche Betrachtungsweise ist aber kurzsichtig. Entscheidend ist die integrierte Betrachtung des «Steuersystems Schweiz». In diesem hat es keinen Platz für eine Bundeserbschaftssteuer. Mit ihrer zum Teil stark progressiven Vermögenssteuer in den Kantonen unterscheidet sich die Schweiz von vielen vergleichbaren Ländern, die keine Vermögenssteuer oder deutlich niedrigere Tarife kennen. Eine Erbschaftssteuer würde die Investitionstätigkeit belasten. Sie würde den Zugang zu einer wichtigen Quelle der Innovationsfinanzierung vieler KMU erschweren – und somit langfristig eine negative Wirkung auf Innovation und Beschäftigung ausüben.

Im Fokus der Publikation steht auch die Besteuerung des Wohneigentums. Oft werden die Forderungen, die Eigentümer fiskalisch zusätzlich zu entlasten, mit der tiefen Eigentümerquote der Schweiz begründet. Doch hat letztere seit 20 Jahren – trotz Eigenmietwertbesteuerung – stetig zugenommen. Avenir Suisse zeigt, dass die schweizerische Steuerpraxis in diesem Bereich besser als ihr Ruf ist. Die Initiative des Hauseigentümerverbandes (HEV) «Sicheres Wohnen im Alter» bevorzugt hingegen einseitig die älteren Eigentümer zu Lasten der Mieter. Die Bestrebungen nach einem nationalen «Bauspar-Modell» sind ebenfalls abzulehnen: Die Erfahrungen mit diesen Modellen sind ernüchternd.

Ein weiterer Essay in «Steuerpolitische Baustellen» ist den Lenkungsabgaben und Ökosteuern gewidmet. An sich sind Lenkungsabgaben sinnvoller als Gebote und Verbote. Die in der Schweiz verwendeten Abgaben lösen jedoch selten eine sinnvolle Lenkungswirkung aus. Entweder sind die Lenkungseffekte bescheiden oder, wenn die Lenkungswirkung tatsächlich einsetzt, gehen Steuererträge verloren, weshalb die Steuersätze erhöht werden, bis sie in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen ungedeckten Kosten stehen. So zielt die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» über das Ziel hinaus: Die hohen Energiesteuersätze, die nötig wären, um die Mehrwertsteuer zu ersetzen, stehen nicht im Verhältnis zu den externen Kosten der Energie. Zu hohe Energiesteuern verursachen Verzerrungen, die sich schliesslich negativ auf die Produktivität und die Löhne auswirken.