Die neueste Studie von Avenir Suisse zeigt: Die Digitalisierung ist in der Schweiz keine Revolution, sondern eine stetige Entwicklung. Bisher gibt es nur schwache Anzeichen für die Häufung «atypischer Arbeit» wie befristete Stellen oder Telearbeit. Die Qualifikationen der Arbeitnehmenden konnten mit den Erfordernissen der technischen Entwicklung Schritt halten. Sicher ist einzig: Die Digitalisierung wird zahlreiche Neuerungen bringen. Die beste Vorbereitung darauf ist die Förderung der Beweglichkeit – auf dem Arbeitsmarkt wie in der Bildung. Um dies zu gewährleisten, ist beschäftigungspolitisch motivierte Regulierung zu vermeiden und der flexible Arbeitsmarkt zu erhalten.

Die Digitalisierung ist in der Schweiz in aller Munde und in allen Medien, auch an pessimistischen Szenarien herrscht kein Mangel. Wie die neuste Avenir-Suisse-Studie zeigt, findet man auf dem Arbeitsmarkt aber kaum Evidenz für eine «digitale Revolution»: Die Erwerbslosenquote bleibt tief, Telearbeit stagniert (5,1%), ebenso die Quote der Selbständigen (7,6%). Der Anteil der unbefristeten Arbeitsverhältnisse betrug 2016 91,1%. Auch die befürchtete Polarisierung des Arbeitsmarkts, die Verdrängung der Arbeitskräfte mit mittleren Qualifikationen, ist ausgeblieben.

Es droht also keine «Robokalypse», in der intelligente Maschinen den Menschen im grossen Stil ersetzen. Zugleich ist die kontinuierliche Digitalisierung der Schweizer Wirtschaft eine Tatsache. Für Avenir Suisse und seine beiden Studienautoren Tibère Adler und Marco Salvi führt kein Weg daran vorbei, dass sich der Staat vermehrt auf möglichst gute Rahmenbedingungen für die Unternehmen und die Arbeitnehmer fokussiert.

Reformbedarf besteht im Arbeitsrecht und bei den Sozialversicherungen:

  • Mit der Digitalisierung verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben. Die veralteten Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung und die Regelung der Arbeitszeiten müssen zeitgemäss und flexibler ausgestaltet werden. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit sollte nur noch im Jahresdurchschnitt erfüllt werden müssen.
  • Die lineare Karriere ist auf dem Rückzug. Teilzeitangestellte und Erwerbstätige mit mehreren Arbeitgebern gibt es je länger je mehr. Die Sozialversicherungen sollten auch Kleinpensen und unregelmässige Arbeitsverhältnisse abdecken. Der grösste Anpassungsbedarf besteht in der beruflichen Vorsorge.
  • Die Plattform-Arbeit («Crowdworking») ist in der Schweiz volumenmässig noch unbedeutend. Wenn die Anzahl der Crowdworker in Zukunft aber stark steigen würde, sollte die Einführung des Status eines «selbständigen Angestellten» für die Sozialversicherungen erfolgen.

In Zeiten steten Wandels ist eine solide Allgemeinbildung die beste Versicherung. In der Bildungspolitik gibt es auf allen Stufen Reformbedarf:

  • In der dualen Berufsbildung müssen die Berufsbilder weiter gefasst werden. Neben einem höheren Anteil an Allgemeinbildung, Fremdsprachen und Informatik muss auch die Berufsmaturität stärker gefördert werden.
  • In den Gymnasien und Fachmittelschulen braucht es Informatik als promotionsrelevantes Grundlagenfach. Erster Informatikunterricht sollte aber schon in der Volksschule ab der 5. Klasse einsetzen, damit alle Schüler die Grundzüge des digitalen Denkens kennen.
  • An den Hochschulen sind die MINT-Fächer innerhalb des tertiären Bildungssektors zu stärken, was den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts besser entspräche.

In der Schweiz gibt es immer wieder politische Anläufe zur Beschränkung digitaler Geschäftsmodelle. Derartige Vorstösse sind langfristig die grösste Gefahr für die Volkswirtschaft. Die Avenir-Suisse-Studie legt dar, dass die Digitalisierung die beste Voraussetzung für die Erhöhung der Produktivität und der Einkommen sowie für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist. Roboter sind also willkommen. Es braucht mehr Digitalisierung in der Schweiz, nicht weniger.

Videoaufzeichnung der Medienkonferenz am 4. Oktober 2017.