Die Migration macht «nur» drei Prozent der Weltbevölkerung aus. Doch in konkreten Zahlen bedeutet dies, dass rund 220 Millionen Menschen ausserhalb ihres Geburtslandes leben. Und nochmals 700 Millionen würden gemäss einer Gallup-Untersuchung emigrieren, wenn sie könnten. Alleine zwischen 1990 und 2010 stieg die Zahl der Migranten in Richtung der entwickelten Länder von 82 auf 127 Millionen Personen. Prioritäre Destinationen sind die USA, Europa und die Golfstaaten. Das vom US-Wissenschafter Douglas Besharov und dem Hispanic-Forscher Mark Lopez herausgegebene Buch «Adjusting to a World in Motion» geht in einer Reihe von klugen, unaufgeregten und auf fundierten Datengrundlagen verfassten Beiträgen einer internationalen Autorschaft der Frage nach, welche Trends die globale Migration bestimmen. Dazu werden unterschiedliche migrationspolitische Ansätze analysiert.

Gerade aus Sicht der Schweiz, wo die Migration letztlich eine Erfolgsgeschichte darstellt, ist die Lektüre der 440 Seiten mit Blick über den nationalen Tellerrand hinaus wertvoll. Seit 1871 hat sich die Bevölkerung in unserem Land verdreifacht, während sich das reale BIP pro Kopf verzwölffacht hat. Dass aber die Migration hierzulande wie in anderen europäischen Zielländern und auch in den USA von der Bevölkerung immer weniger als Opportunität, sondern zunehmend als Problem wahrgenommen wird, zeigt bereits das Einleitungskapitel der Herausgeber.

Syrische und irakische Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Lesbos. (Wikimedia Commons)

Syrische und irakische Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Lesbos. (Wikimedia Commons)

In der Folge untersuchen die Gallup-Forscher Neli Esipova, Rajesh Srinivasan und Julie Ray die Emigrationspotenziale der Weltregionen. So sind die Bewohner der Subsahara am meisten gewillt auszuwandern. Grösster Pull-Faktor: die enormen Wohlstandsunterschiede. Die Hoffnung auf ein ökonomisch besseres Leben ist zu rund 70 Prozent Beweggrund für Emigration. Zwar sind die Zahlen der potenziellen Auswanderer aus Asien prozentual deutlich tiefer als derjenigen aus Afrika, aber aufgrund des enormen Bevölkerungswachstums in Asien sind dies immerhin 250 Millionen Personen. Ihr Migrationszielland Nummer eins bleiben die USA. Die bisweilen schrille Anti-Migrations-Rhetorik gegen mexikanische Einwanderer in den USA erscheint in einem anderen Licht, wenn man den Rückgang der hispanischen Immigranten dem starken Anstieg der asiatischen Einwanderer gegenüberstellt. In Beiträgen der US-Think-Tanker Eileen Patten und Andrew Selee wird dies auch mit der zunehmenden Wirtschaftskraft Mexikos infolge des Freihandelsabkommens Nafta begründet.

«Adjusting to a World in Motion: Trends in Global Migration and Migration Policy» Douglas Besharov, Mark Lopez; Oxford University Press, 440 Seiten.

Dass die Migrationsbewegungen weiter zunehmen, wird von allen Autoren erwartet. Laut Uno-Prognosen werden allein bis 2050 41 Millionen Menschen nach Europa emigrieren. Dass die europäischen Länder und damit auch die Schweiz diesen Herausforderungen nur durch länderübergreifende Zusammenarbeit begegnen können, versteht sich von selbst. In Beiträgen von Anja Wiesbrock und Katharina Eisele wird aber die bisherige fragmentierte Migrationspolitik auf dem europäischen Kontinent kritisch hinterfragt. Eines bleibt nach der Lektüre offensichtlich: Die Komplexität des heute dominierenden Politthemas kann mit einfachen nationalen Lösungsansätzen keineswegs gelöst werden.

Diese Buchbesprechung ist in der April-Ausgabe 2017 der Zeitschrift «Bilanz» erschienen.