Für eine marktnahe Umsetzung des in der Masseneinwanderungsinitiative geforderten «Schweizervorrangs» eignen sich eher preisbasierte Instrumente der Zuwanderungssteuerung. Ein allfälliges administratives Verfahren sollte einfach und transparent sein.

Neben der Kontingentierung verlangt der Verfassungstext der Masseneinwanderungsintitiative den «Schweizervorrang» (…unter Berücksichtigung eines Vorranges für Schweizerinnen und Schweizer…). Was heisst das genau und wie ist dieser sinnvoll umzusetzen? Bisher wurde in der Ausländergesetzgebung mit dem «Inländervorrang» gearbeitet. Dieser bedeutet, dass Ausländerinnen und Ausländer nur zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz zugelassen werden, wenn nachgewiesen wird, dass kein geeigneter inländischer Arbeitnehmer gefunden werden konnte. Als inländische Arbeitnehmer werden Schweizer, niedergelassene Ausländer sowie Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung zur Erwerbstätigkeit verstanden. Seit Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU gilt dieser «Inländervorrang» nur noch gegenüber Arbeitnehmern aus Drittländern (1. Juni 2004).

Erschwerte Stellenwechsel

Nähme man die neue Verfassungsbestimmung beim Wort, dürften vom «Inländervorrang» in Zukunft nur noch Schweizer Bürger profitieren. Das würde zum Beispiel heissen, dass im Fall eines bereits in der Schweiz arbeitenden Ausländers bei Stellenwechsel der Nachweis erbracht werden müsste, dass kein geeigneter Schweizer Arbeitnehmer für die entsprechende Stelle gefunden werden konnte. Der bereits in der Schweiz arbeitende und wohnhafte Ausländer wäre im Nachteil gegenüber dem gleichqualifizierten Schweizer Bürger. Dies könnte zu erheblichen Irritationen auf dem Arbeitsmarkt und bei Unternehmungen führen. Der erschwerte Stellenwechsel könnte zu einem Verlust von gut qualifizierten und gut integrierten Ausländern führen und damit auch den Strukturwandel in der Wirtschaft behindern. Im schlimmsten Fall müssten ganze Bereiche von Unternehmungen umstrukturiert, geschlossen oder ins Ausland verlagert werden.

Wirtschaftsvertreter, aber auch einzelne Exponenten der SVP befürworten deshalb eine weitergehende Interpretation des Verfassungstextes, analog der heutigen Praxis des «Inländervorrangs». In diesem Fall wären auch niedergelassene Ausländer sowie Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung zur Erwerbstätigkeit in der Interpretation des «Schweizervorrangs» enthalten. Das bereits in der Schweiz vorhandene Potential an ausländischen Arbeitskräften kann so optimal genutzt werden. Aus ökonomischer Sicht empfiehlt sich also eine Auslegung des «Schweizervorrangs», die nahe bei der bisherigen Definition des «Inländervorrangs» liegt.

Gesuche wurden meist bewilligt

Die Umsetzung des «Schweizervorrangs» kann– unabhängig von der genauen Definition – mit administrativen Verfahren oder mit marktbasierten Ansätzen geschehen. Bei letzteren, also der Steuerung der Zuwanderung mittels Abgaben oder Auktionen, wird der «Schweizervorrang» sozusagen automatisch umgesetzt. Er kommt in der Zahlungsbereitschaft des Arbeitgebers zum Ausdruck. Kein Arbeitgeber wäre nämlich bereit, eine Abgabe oder einen Auktionspreis zu bezahlen, wenn er einen gleichwertigen Schweizer Arbeiter erhielte, bei dem diese Kosten nicht anfielen. Ein zusätzlicher «Schweizervorrang» wäre somit reine Bürokratie ohne Nutzen.

Dies ist bei den quantitativ orientierten Methoden zur Steuerung der Zuwanderung nicht der Fall. Hier muss, um dem Verfassungsauftrag gerecht zu werden, ein zusätzlicher «Preis» für die Anstellung eines ausländischen Arbeitnehmers statt eines Inländers eingeführt werden. Dieser «Preis» kann wie heute bei Drittstaaten in einem administrativen Verfahren bestehen. Effizienter wäre aber eine Gebühr. Sie kann als Fixbetrag oder proportional zum Jahreslohn festgelegt werden, mit den analogen Vor- und Nachteilen dieser beiden Methoden wie beim Abgabesystem. Aus Kostengründen würde der ausländische Bewerber also nur bei besserer Qualifikation angestellt. Mit einem solchen System würden Unsicherheiten über den Entscheid, Behördenwillkür und lange Wartefristen wegfallen. Die Einnahmen aus der Gebühr könnten analog zu den Vorschlägen bei den preisgesteuerten Zuwanderungsmethoden beispielsweise für einen Infrastrukturfonds verwendet werden.

Das heute bei Drittstaaten praktizierte Verfahren ist mit erheblichem Aufwand für die Unternehmungen und die Verwaltung verbunden. Eine Unternehmung muss für jeden einzelnen Fall ein Gesuch einreichen, und die Zulassungsbehörden müssen dieses prüfen und beurteilen. Ein Gesuch muss den Nachweis enthalten, dass ernsthaft nach einem Schweizer gesucht wurde, beispielsweise die Stelle öffentlich ausgeschrieben wurde sowie ferner eine Begründung, weshalb der vorgeschlagene ausländische Kandidat besser qualifiziert ist als interessierte Schweizer Bewerber. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass ausländische Abschlüsse oder die Berufserfahrung nicht genügend eindeutig mit entsprechenden Qualifikationen von Schweizern verglichen werden können. Damit entsteht Interpretationsspielraum für die Behörden, was zu unnötiger Unsicherheit bei den Antragstellern führt.

Die Erfahrung zeigt allerdings, dass in der Vergangenheit die Gesuche in den allermeisten Fällen genehmigt wurden – auch dank einer ganzen «Industrie» von Personalberatungsbüros, welche die Unternehmungen bei der Abfassung von Gesuchen unterstützt hat. Der «Inländervorrang» ist somit nichts anderes als eine zusätzliche Hürde für das Anstellen von Ausländern, die zudem vor allem Branchen mit niedriger Wertschöpfung benachteiligt, da die Kosten des Gesuchs immer in ungefähr gleicher Höhe anfallen.

Steigende administrative Kosten

Heute werden unter der geltenden Drittstaatenregelung jährlich etwa 13’000 Fälle pro Jahr geprüft. Das Bundesamt für Migration schätzt, dass neu etwa 130’000 Fälle pro Jahr geprüft werden müssten. Diese Zahlen können als Basis zur Abschätzung der zusätzlichen Kosten für die Unternehmungen dienen. Gemäss Schätzungen des SECO (Bericht über Regulierungskosten, Dez.2013) verursachen die Gesuche für Mitarbeiter aus den EU-25/EFTA Staaten derzeit Kosten von 5,2 Mio. Franken. Dazu kommen Kosten für die Meldeverfahren (beim Stellenantritt) von 1,6. Mio. Franken. Eine einfache Hochrechnung ergibt somit zusätzliche Kosten von 125 Mio. Franken, wenn der Inländervorrang auch gegenüber der EU-25/EFTA gilt. Diese Kosten sind, so ärgerlich sie sind, aus volkswirtschaftlicher Optik nicht allzu bedeutend. Viel wichtiger dürften die Kosten sein, die in Form von Unsicherheiten über die Bewilligung des Gesuches und von oft über einen Monat dauernden Wartefristen anfallen. Sie sind nicht zu unterschätzen, aber schwer zu quantifizieren, besonders wenn -wie die Initianten verlangen- der Schweizervorrang sofort umgesetzt werden soll und die dazu notwendige Infrastruktur in den Unternehmungen und in der Verwaltung noch nicht aufgebaut ist. Gemäss dem Bundesamt für Migration reichten bisher 14 Stellen zur Prüfung von Gesuchen. Neu wird mit einer Erhöhung auf bis zu 140 Stellen gerechnet.

Falls ein administratives Bewilligungsverfahren zur Anwendung kommt, müssten die heutigen Schwachstellen eliminiert werden. So sollte den Behörden eine maximale Frist zur Erledigung gesetzt werden, beispielsweise zwei Wochen. Wird das Gesuch innerhalb dieser Frist nicht beantwortet, gilt es automatisch als bewilligt. Und gleichzeitig müssten alle Gesuche nach einem klar definierten Kriterienkatalog online eingereicht werden können.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in der Publikation «avenir spezial: Gelenkte Zuwanderung».