Darf die SRG im Internet auch Werbung verkaufen? Um diese Frage streiten die Schweizer Verleger mit der SRG. Den «Kampf ums Netz» stellt ein Plakat dar, das der neuen Ausgabe der Informationsbroschüre «avenir aktuell» beiliegt. Denn die Streitfrage ist viel bedeutender, als sie erscheinen mag: Die Debatte dreht sich um das grundsätzliche Problem, was bei den Medien als Service public gelten soll.
Bis vor zehn Jahren lebten die Verleger und die SRG gut miteinander, weil sie sich die Arbeit teilten. Die Verleger sorgten mit ihren Zeitungen und Zeitschriften seit mehr als zwei Jahrhunderten für die demokratische Meinungsbildung – notabene ohne dafür vom Staat Geld zu erhalten. Und die SRG, ein privater Verein, der sich grossmehrheitlich mit steuerähnlichen Zwangsgebühren finanziert, bot Information und Unterhaltung durch Radio und Fernsehen an, von den Nachrichten des Radiosenders Beromünster bis hin zu «Musikantenstadl» und «Desperate Housewives», Miss-Schweiz-Wahl und Autorennen auf SF.
Schwierigstes Jahrzehnt der Geschichte
Seit der Jahrtausendwende hat sich die Medienlandschaft aber so dramatisch gewandelt wie nie: Die Schweizer Verleger haben das schwierigste Jahrzehnt ihrer Geschichte hinter sich. Weshalb, zeigt das Plakat; es beruht auf einer Umfrage bei den grossen Schweizer Medienhäusern, bei der diese auch Zahlen angaben, die sie bisher nicht öffentlich ausgewiesen hatten. Zwischen 2000 und 2010 brachen die Umsätze der Verleger ein, weil Gratisblätter und Webseiten ihre journalistischen Leistungen kostenlos anboten und vor allem ihre Werbeeinnahmen abzogen. Diese schrumpften beim «Tages-Anzeiger» seit 2000 um drei Viertel, bei der NZZ um die Hälfte. Obwohl Tamedia inzwischen die Espace Media Groupe in Bern übernommen und das Gratisblatt «20 Minuten» zur meistgelesenen und profitabelsten Zeitung entwickelt hat, ging ihr Umsatz deshalb von 818 Mio. Fr. (2000) auf 806 Mio. Fr. (2010) zurück. Die Einnahmen der Südostschweiz-Gruppe steigerten sich in diesem Jahrzehnt trotz einer mutigen Expansionsstrategie nur leicht von 129 Mio. auf 135 Mio. Fr., jene der NZZ-Gruppe schwanden von 532 Mio. auf 518 Mio. Fr., und jene von Edipresse Schweiz, die seit 2011 zu Tamedia gehört, brachen gar um 15% ein.
Statt den Werbern zahlen die Leser
Die Verleger steigern ihre Vertriebseinnahmen, indem sie die Preise für ihre journalistischen Angebote erhöhen. Das Plakat zeigt, wie sich dadurch im Geschäft die Gewichte verschieben. So machten 2000 bei der NZZ-Gruppe die Printwerbung 52% und die Vertriebseinnahmen17% des Umsatzes aus; zehn Jahre später wies die Gruppe 37% für die Printwerbung und 29% für die Vertriebseinnahmen aus. Diese Entwicklung lässt sich weniger ausgeprägt bei allen Verlagshäusern beobachten, ausser bei Ringier Schweiz: Das Traditionshaus wandelt sich zum Unterhaltungskonzern, der Events und Prominenz vermarktet – während es 2000 noch 14% des Umsatzes mit Nicht-Verlagsaktivitäten, vor allem mit dem Druckgeschäft machte, erzielte es 2010 schon mehr als ein Drittel des Umsatzes mit solchen Aktivitäten.
Die SRG muss sich im Netz zurückhalten
Das Verhalten der Nutzer wandelt sich rasant. Eine Mehrheit der Schweizer zieht sowohl für die Information als auch für die Unterhaltung das Internet dem Fernsehen und dem Radio vor; die beliebteste Website, blick.ch, zählt monatlich eine halbe Milliarde Klicks. Auf dem Netz kommen sich die Verleger und die SRG aber erstmals in die Quere. Deshalb stellt sich die Grundsatzfrage, wie der Service public zu verstehen ist. Die SRG, die sich bei fast drei Viertel ihrer Einnahmen auf die Zwangsgebühren verlassen kann, muss ihr Angebot einschränken und darf es keinesfalls auf Kosten der Verleger weiter ausbauen. Denn es gibt kaum einen Bereich der Wirtschaft, in dem es so wichtig ist, dass Private – natürlich im Rahmen einer staatlichen Ordnung – Produktion und Verbreitung übernehmen, wie bei den Medien. Gerhard Schwarz, Direktor von Avenir Suisse, drückte es schon beim Verlegerkongress in Flims im September 2011 so aus: «Es wäre, so provokativ das tönen mag, weniger tragisch, wenn der Staat Nescafé oder Möbel produzierte, als wenn er beim Erstellen und Verteilen von politischer Information mitmischt.»
Die Informationsbroschüre «avenir aktuell» und das Plakat zum «Kampf ums Netz» lassen sich herunterladen oder, auch in grösseren Mengen, kostenlos bestellen bei office@avenir-suisse.ch.