Als axialer Ballungsraum kann eine bandförmige Agglomerationsstruktur bezeichnet werden. Er verfügt über eine linear verlaufende Konzentration von Bevölkerung, Arbeitsplätzen, Firmenstandorten, Erschliessungs- und Versorgungsinfrastruktur, öffentlicher Verwaltung, Kultur-, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Herkömmliche Agglomerationen hingegen sind polar-konzentrisch organisiert. Axiale Ballungsräume findet man z.B. in den alpinen Haupttälern.
Insbesondere die beiden grössten Zentrumstäler in der Schweiz – das Rhone- und das Alpenrheintal – sind von der Zahl der Einwohner oder Arbeitsplätze vergleichbar mit einer mittelgrossen Stadt. Diese Ballungsräume durchziehen genau jene wachstumsschwachen Gebiete des Schweizer Alpenbogens, die fernab der städtischen Zentren liegen. Ähnliche Funktionen erfüllen beispielsweise das Veltliner Haupttal in den italienischen oder das Inntal in den österreichischen Alpen.
Obwohl die Schweiz als Ganzes wächst, hat der Alpenraum mit Abwanderung und Überalterung zu kämpfen. Inwieweit diese negative Bevölkerungsdynamik gebremst (oder gar umgekehrt) werden kann, hängt wesentlich von der Standortattraktivität der axialen Ballungsräume in den Zentrumstälern ab, denn diese speisen wie Arterien die Seitentäler und das alpine Hinterland.
Bei der Stärkung der axialen Ballungsräume sollten folgende Grundsätze der Strukturpolitik beachtet werden:
- Statt durch milliardenschwere Investitionsprojekte eine bessere Verkehrsanbindung an die Städte des Mittellandes zu suchen, sollte sich das Berggebiet darauf konzentrieren, seine eigenen Zentrumsstrukturen zu stärken. Die grossen Erschliessungsinfrastrukturen wurden bereits gebaut (Lötschberg-Basistunnel, Vereinatunnel) bzw. sollten mit Abschluss laufender Grossprojekte (Transjurane, zweite Gotthardröhre, A9 im Rhonetal) als gebaut erachtet werden.
- Auf Bundesebene verfügbare Mittel für Verkehrsinfrastruktur im Berggebiet sollten künftig primär in die Zentrumstalsysteme gelenkt werden – und dies idealerweise über das Instrument der Agglomerationsprogramme, denn diese basieren auf verbindlichen Langfriststrategien, setzen Anreize zur Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Gebietskörperschaften und verbessern dadurch die Wirksamkeit und Effizienz des Mitteleinsatzes.
- Die Gebirgskantone sollten jedoch für die Lösung ihrer Probleme nicht auf «Geld aus Bern» warten, sondern sie haben es selbst in der Hand, Strukturreformen zu konzipieren und umzusetzen. Dabei sollten sie auch neue Wege gehen. In der Anfang Juli publizierten Studie «Zentrumstäler» werden vielfältige Massnahmen und Instrumente zur Standortentwicklung in diesen Gebieten skizziert und diskutiert.
- Der Fokus auf Zentrumstäler zeigt einmal mehr, wie wichtig in der Strukturpolitik der Abschied vom Giesskannenprinzip ist. Vom Grundsatz her bedeutet dies, regionale Stärken zu akzentuieren. Die Gebirgskantone sollten ihre begrenzten Finanzmittel vor allem dorthin lenken, wo die erwarteten Wachstumsimpulse am grössten sind. Dies sind vielfach die Zentrumstäler.
- Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein schlichtes «Ansubventionieren» gegen Schrumpfungsprozesse in peripheren Räumen teuer ist und wenig bewirkt. Die Entleerung besonders entlegener Regionen – gerade auch im Kernalpenraum – wird sich kaum stoppen lassen. Welche Ansätze in solchen potenzialarmen Räumen trotzdem Sinn ergeben können, wurde in der ersten Berggebietsstudie von Avenir Suisse ausführlich besprochen.
Letztlich werden sich die peripheren Räume im Herzen des Alpenbogens nur dann stabilisieren lassen, wenn es gelingt, die Zentrumstalstrukturen zu stärken und ihre brachliegenden Potenziale zu heben. Die Zentrumstäler müssen als Wirtschaftsstandort und Lebensraum so attraktiv werden, dass sie Investitionen, Arbeitskräfte und junge Familien von ausserhalb anziehen. Wenn ihnen dies gelingt, können sie zu Stabilitätsankern, Wachstumspolen und demografischen Jungbrunnen des Berggebietes werden.
Ausführliche Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Zentrumstäler – Die Haupttäler als Entwicklungsachsen des Berggebietes».