Der Job als Hostess an der jährlichen Uhrenmesse: ausgefallen. Das Gleiche gilt für die Einsätze als Prüfungsaufsicht oder die Schichten im Service an den Wocheneden. Viele der üblichen Nebenjobs von Studentinnen und Studenten fallen seit März 2020 ganz oder teilweise der Corona-Pandemie zum Opfer. Berichte von Einzelschicksalen in den Medien häufen sich. Doch wie sieht die finanzielle und berufliche Situation von Studierenden im Allgemeinen aus? Viele der Zahlen, die zur Beantwortung dieser Frage notwendig wären, sind (noch) nicht vorhanden. Trotzdem lässt sich mit Daten und Information von Verbänden, Kantonen und Universitäten ein Bild konstruieren.

Die Mehrheit arbeitet, lebt aber nicht allein davon

Knapp zwei Drittel aller Studierenden sind erwerbstätig und arbeiten im Schnitt 10 Stunden pro Woche (BFS 2021). Während ein Grossteil einer bezahlten Arbeit nachgeht, liegen die Stellenprozente im Schnitt bei etwas mehr als 20 Prozent. Studierende sind gemäss diesen Zahlen generell zur Finanzierung ihres Studiums nicht oder nur teilweise von den selbst erwirtschafteten Einkünften abhängig, sondern werden mehrheitlich von ihren Familien unterstützt. Gemäss einer BFS-Studie macht die Familie 52 Prozent der Einkommensquelle aus, die Erwerbstätigkeit 39 Prozent sowie Stipendien und Darlehen 4 Prozent (BFS 2021).

Die Abhängigkeit von den Eltern spiegelt sich auch in der Wohnsituation: Bereits vor Ausbruch der Pandemie lebten 41 Prozent der Studierenden bei den Eltern. Sowohl bei der Einkommensquelle als auch der Wohnsituation wurden die Studierenden aufgrund der Pandemie wohl noch ein Stück abhängiger von ihren Eltern. Die Zahlen aus der Zeit vor der Pandemie lassen erahnen, dass der Nebenerwerb von Studierenden generell ein Zusatz zur finanziellen Unterstützung der Eltern darstellt. Wo die elterliche Unterstützung nicht möglich ist, bieten Kantone, Hochschulen, aber auch Organisationen Stipendien und zinslose Darlehen an. Diese Zahl lag vor der Pandemie mit vier Prozent eher tief.

Stipendien und Nothilfefonds

Bei etlichen Jobs, die Studierende während den Semesterferien oder, wie im Falle einer Uhrenmesse, nur während einer kurzen Zeitperiode ausüben, kam durch die Pandemie unter Umständen gar nie ein Arbeitsvertrag zu Stande. Jene, die einer regelmässigen Tätigkeit nachgehen, konnten dafür zumindest teilweise von der Kurzarbeit profitieren. Studenten, die ihre Nebeneinkünfte zur Mitfinanzierung ihres Studiums verlieren, werden von den Datenbanken zur Berechnung der Arbeitslosenquoten nicht erfasst, da sie in der Regel kein Arbeitslosengeld beantragen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass Studierende, die zuvor nicht in die AHV einbezahlt haben, 120 Tage auf Unterstützungszahlungen warten müssen.

Die Vorlesungssäle blieben im Jahr 2020 mehrheitlich leer. (Bild: Nathan Dumlao/Unsplash)

Rechtlich sind in erster Linie die Eltern für die Finanzierung ihrer sich noch in Ausbildung befindender Kinder zuständig. Studierende müssen also auch im Normalfall auf die Hilfe der Eltern zurückgreifen. Können die Eltern die Nachkommen nicht oder nur teilweise finanziell unterstützen, kommen Stipendien und Darlehen ins Spiel. Erste Anlaufstelle dabei sind kantonale Stipendien, die jedoch jeweils jährlich vergeben werden. Wer kurzfristig aufgrund der Pandemie zu wenig finanzielle Mittel aufweist, braucht schneller Unterstützung.

Universitäten wie Basel, Bern und Zürich bieten auch in normalen Zeiten Stipendien und Darlehen an. Nach Ausbruch der Pandemie haben manche Institutionen reagiert und für die Studenten nebst den regulären Angeboten Nothilfefonds eingerichtet, dank welchen sie zinslose Darlehen aufnehmen können. Die Hilfen stellen keine langfristige Unterstützung dar, sondern dienen als kurzfristige Nothilfe, um die Ausnahmesituation zu überbrücken.

Die Universität Basel führte bereits im Frühling 2020 kurzfristige Überbrückungshilfen ein. Bis anfangs Februar 2021 machten davon bloss 35 der knapp 13’000 Studierenden gebrauch. Ausserdem vergibt die Universität Härtefallstipendien an rund 100 Studierende. In den vergangenen beiden Semestern, so die Universität auf Anfrage, standen die vergebenen Stipendien oft in Verbindung mit Jobverlusten der Studierenden oder deren Eltern.

Auch die Universität Zürich lancierte im Frühlingssemester 2020 eine Pandemie-Nothilfe von bis zu 6000 Schweizer Franken, wobei bis zu 3000 nicht zurückbezahlt werden müssen und alles darüber hinaus als zinsloses Darlehen gilt. Die Gelder sollten vor allem verhindern, dass eine Weiterführung des Studiums gefährdet ist. Um von der Nothilfe zu profitieren, muss laut Universität ein klarer Zusammenhang zwischen der Notlage und der Pandemie bestehen. Während im Frühlingssemester weniger als ein Prozent der Studierenden ein Gesuch auf Nothilfe stellte, sanken die Anfragen im Frühlingssemester 2021 um mehr als die Hälfte, weshalb die Nothilfen im laufenden Semester abgeschafft werden.

Die Universität erklärt die rückläufige Nachfrage damit, dass die Studenten im Frühling 2020 unerwartet von der Pandemie beeinträchtigt wurden und keine Zeit hatten, Alternativen zur Finanzierung ihres Studiums zu finden. Bis zum darauffolgenden Herbstsemester jedoch war dies eher möglich. Die Universität Bern hat im Rahmen ihrer Stiftung Sozialkasse erst auf das Frühlingssemester 2021 einen besonderen Corona-Nothilfefonds eingerichtet und konnte zum Zeitpunkt dieser Analyse noch keine genauere Auskunft über die Höhe der Nachfrage geben.

Verzögerte Notlage

Die Zahlen der Universitäten stimmen optimistisch in Bezug auf die finanzielle Situation ihrer Studierenden. Die Universität Zürich betont jedoch, dass Erfahrungen der Finanzkrise von 2008 gezeigt haben, dass strukturelle Unterfinanzierung oft mit Verzögerung bei der Fachstelle eintreffen. Viele greifen zuerst auf die Reserven der Eltern zurück, bevor sie bei der Universität anfragen. Wie stark die Studierenden also von den ausgefallenen Nebenjobs betroffen sind, hängt in erster Linie davon ab, wie sich die finanzielle Lage ihrer Eltern entwickelt.

Nicht in allen Bildungseinrichtungen stehen Corona-Nothilfeprozesse zur Verfügung. Abhilfe schaffen können auch Stiftungen wie Educa Swiss, die mit zinsgünstigen Darlehen und Budgetberatung bei einer Ausbildung finanziell unterstützen. In Bezug auf die Pandemie bieten sie auch Corona-Nothilfe in Form eines zinslosen Darlehens bis zu 5000 Franken an. Im Gegensatz zu den sinkenden Gesuchen bei den genannten Universitäten hat sich hier die Nachfrage nach Darlehen verdreifacht. Simon Merki, Geschäftsführer der Stiftung, erklärt sich den umgekehrten Trend damit, dass vor allem Studierende, deren Hochschulen keine eigenen Nothilfe-Optionen kennen, bei ihnen anfragen.

Mehr Jugendliche zieht es während der Pandemie an die Universität. (Bild: Unsplash)

Die Zahl der Studienabbrüche seit März 2020 hat bisher nicht nachweislich zugenommen. Im Gegenteil: Universitäten verbuchen einen starken Anstieg der Anmeldezahlen. Dies liegt unter anderem daran, dass Gymnasiasten anstelle eines Zwischenjahres direkt in die Universität eintreten und auch Bachelorabsolventen anstelle eines Auslandaufenthaltes oder eines Praktikums direkt in den Master einsteigen.

Erschwerter Start in die Arbeitswelt

Die Pandemie beschäftigt Studierende in ihrer Laufbahn nicht nur in Bezug auf die Finanzierung ihres Studiums, sondern erschwert unter Umständen auch den Berufseinstieg. Der erste Job oder das erste Praktikum ab Studium sind prägend für die weitere Laufbahn im Arbeitsmarkt. Oft erlangen Studienabgänger nur dank Praktika die notwendige Arbeitserfahrung, um später Chancen auf eine Festanstellung zu haben. Homeoffice und Kurzarbeit erschweren die Situation, eine solche Praktikumsstelle zu finden, zumal Firmen möglicherweise weniger Praktikantinnen einstellen, da sie diese für nur wenige Monate digital im Homeoffice einarbeiten müssten.

Damit und auch aufgrund verlorener Nebenjobs fehlt ihnen wertvolle Berufserfahrung, die sie bei der ersten Jobsuche nach Abschluss vorweisen könnten. Denn bei vielen dürften die Nebenjobs die einzige Berufserfahrung sein, die sie bei Bewerbungen für den ersten «richtigen» Job ausweisen können. Auch wenn die Nebenjobs oft nur wenig mit dem späteren Beruf zu tun haben, kann jegliche Berufserfahrung nützlich sein. Auch ausgefallene Auslandsaufenthalte können sich bei der Jobsuche negativ auswirken.

Die Daten zur Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz beziehen sich auf 18- bis 24-Jährige. Abgänger einer Fachhochschule oder Universität sind oft älter. Wie viele Studienabgänger sich unter der aktuellen Arbeitslosenzahl befinden, lässt sich daher nur schwer ausmachen. Grundsätzlich fällt es Jugendlichen aber in wirtschaftlichen Krisen schwerer, nach Abschluss eine Stelle zu finden, da es ihnen im Vergleich zu älteren Menschen auch in normalen Zeiten an Berufserfahrung fehlt. Wie gross diese Herausforderung tatsächlich ist, hängt vom jeweiligen Studienabschluss ab. Grundsätzlich legen mehrere Studien nahe, dass Personen, die während einer Rezession ihre erste Stelle suchen, auch längerfristig Nachteile – zum Beispiel einen tieferen Lohn – zu gewärtigen haben gegenüber Personen, die ihren ersten Job während einer Boom-Phase antreten.

Die Studienzeit zu verlängern, noch eine Ausbildung anzuhängen oder die Masterarbeit noch etwas hinauszuzögern, kann eine kurzfristige Lösung sein, um die Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Langfristig erfordert jedoch auch dies finanzielle Mittel. Um die wohl etwas höher gewordene Hürde in den Arbeitsmarkt zu meistern, sollten Studierende vermehrt auf die Berufsberatungen der jeweiligen Hochschulen zurückgreifen und/oder sich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen.

Wie genau sich die Situation der Studierenden und insbesondere der Absolventen entwickeln wird, hängt daher einerseits von der finanziellen Situation der Eltern und andererseits der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ab. Der Blick auf die Finanzen der Studierenden stimmt derzeit positiv. In Bezug auf ihre Chancen im Arbeitsmarkt hängt vieles von der Flexibilität der Studierenden – bei der Studien- und der Berufswahl – aber auch des Engagements der Arbeitgeber ab, jungen Menschen trotz weniger Berufserfahrung eine Chance zu geben.

Dieser Beitrag ist Teil einer Blogserie zum Thema Jugendliche in der Pandemie.  Jugendliche erleben vor dem Eintritt ins Berufsleben auch in «normalen» Jahren eine prägende Zeit. Die Corona-Pandemie hat diesen Übergang von obligatorischer Schulzeit oder Studium ins Berufsleben nochmals verschärft. In einer Blogserie zeigen wir auf, welchen Herausforderungen sich die Jugendlichen in verschiedenen Zeitpunkten ihrer Ausbildung derzeit stellen müssen.