In der Schweiz soll das Ausschreibungsverfahren für die neuen Casino-Konzessionen lanciert werden. Darüber hat der Bundesrat vor wenigen Wochen informiert. Voraussichtlich im Herbst 2023 wird er dann über die Vergabe der Konzessionen entscheiden; dieser Beschluss ist nicht anfechtbar. Bei der Vergabe von Spielbankenkonzessionen verfügt der Bundesrat somit über einen grossen Spielraum und viel Macht – das ist nicht unproblematisch.
So hielt vor kurzem eine Studie im Auftrag des Seco bezüglich der Konzessionsvergabe fest: «Es mangelt dem Verfahren an Transparenz, Chancengleichheit und einer effizienten Zuteilung. Zwar ist ein solches System gemäss Praxis des Bundesgerichts verfassungskonform, aus ökonomischer Sicht aber revisionsbedürftig. Die Einführung einer öffentlichen Ausschreibung mittels Auktion oder mindestens einem Kriterienkatalog sollte geprüft werden.»
Ein willkommener Goldesel
Von einer transparenten und effizienten Auktion will der Bundesrat nun allerdings nichts wissen. Weshalb? Das kann dem kürzlich veröffentlichten Bericht über «Bessere Verfahren beim Zugang zu den geschlossenen Märkten des Bundes» entnommen werden. Der Bundesrat nimmt die Kritik an der heutigen Vergabepraxis zwar entgegen, kommt aber zur Schlussfolgerung: «Das bestehende Konzessionssystem erweist sich als politisch opportun (…)».
Dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass die Spielbanken in der Schweiz seit ihrer Betriebsaufnahme vor rund zehn Jahren gut 6,3 Mrd. Fr. in die sanierungsbedürftige AHV gespült haben. Aber auch die Kantone und Gemeinden kommen nicht zu kurz. So alimentieren gewisse Casinos den Staatshaushalt ihrer Standortkantone und -gemeinden – alleine im Jahr 2019 waren das rund 52 Mio. Fr.
Schliesslich ist der Staat auch noch Eigentümer verschiedener Spielbanken. Beispielsweise hält die Stadt Lugano mit 65,7 % die Mehrheit der Aktien der Casinò Lugano SA. Auch die Einwohner- und Ortsbürgergemeinde Baden ist über die Stadtcasino Baden AG als Mehrheitsaktionärin am Grand Casino Baden beteiligt. Und an der Kursaal-Casino AG Luzern halten neben der grössten Einzelaktionärin, der Stadt Luzern mit 11 %, ebenfalls der Kanton Luzern (3,7 %)und offenbar auch die teilstaatliche Luzerner Kantonalbank (5 %) Anteile.
Zu viele Interessen im Spiel
Es geht bei den Casino-Konzessionen also um hohe Geldbeträge, und es sind alle drei Staatsebenen involviert. Kein Wunder, hat der Bundesrat das heutige Verfahren als «politisch opportun» erachtet. Dieses stellt schliesslich am besten sicher, dass auch künftig niemand um seine Pfründe bangen muss.
Um die Erträge aus den Spielbanken zu erhöhen, wurde vergangenen Monat sogar noch etwas an der Aufteilung der Gebietsmonopole geschraubt: Mit den neuen Zonen Lausanne und Winterthur erhofft sich der Bund zusätzliche Einnahmen zur Entlastung der strukturell unterfinanzierten AHV. Damit wird ein zentraler Pfeiler der Sozialpolitik noch abhängiger von den Einnahmen aus dem Glücksspiel – was die politischen Anreize bezüglich stringenter Regulierung im Bereich Sozialverträglichkeit und Sicherheit des Glücksspiels weiter unterminiert.
Auch auf tieferen Staatsebenen ist die Unterstützung für das heutige System finanziell abgesichert: Wie erwähnt fliessen von gewissen Casinos Gelder grösstenteils ungebunden in den Haushalt der Standortkantone. Manche Kantone leiten einen Teil dieser Gelder an die Standortgemeinden weiter – neben der direkten Beteiligung eine weitere potenzielle Einnahmequelle für Standortgemeinden. Sowohl die betroffenen Kantone als auch die Gemeinden dürften ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, damit bei der Neuvergabe der Casino-Konzessionen ja nichts «schiefläuft», so dass die Geldströme aus dem Glücksspiel auch künftig nicht versiegen.
Eine verpasste Chance
Diese unschönen und ordnungspolitisch problematischen Strukturen müssten nicht sein. Bei der jüngsten Revision des Geldspielgesetzes wurde es aber verpasst, überfällige Reformen aufzugleisen. Vielmehr war der Gesetzgeber damit beschäftigt, das neue Online-Glücksspiel fiskalisch anzuzapfen. Für staatspolitische Hausaufgaben wie der Neugestaltung des mangelhaften Konzessionsverfahrens oder der Behebung problematischer finanzieller Abhängigkeiten blieb da keine Zeit – ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Entsprechend sind politische Interessenkonflikte weiterhin allgegenwärtig. Die problematischen Strukturen haben wir in der jüngsten Avenir-Suisse-Studie «Glück im Spiel, Patzer in der Regulierung» im Detail analysiert. Dabei wurde auch die zweite Glücksspielsphäre untersucht: Die Lotterien. Auch hier zeigt sich beim genaueren hinschauen, dass bei weitem nicht alles zum Besten gestellt ist. Es ist höchste Zeit, die allgegenwärtigen Interessenkonflikte im Schweizer Glücksspielwesen aufzulösen und die institutionellen Rahmenbedingungen zu modernisieren.
Dieser Beitrag ist in der «Finanz und Wirtschaft» erschienen.