Erstens: Die Produktion von billigen Massengütern automatisieren. Zweitens: Das Produkteangebot auf Spezialitäten mit hoher Wertschöpfung fokussieren. Dank dieser Strategie konnte die Industrie in der Schweiz als einzigem westlichem OECD-Land ihren Anteil am Bruttoinlandprodukt seit 1990 bei rund 20 Prozent halten. Die Schweiz ist deshalb, gemessen an der Industrieproduktion pro Kopf, das am stärksten industrialisierte Land der Welt. Die nackten Zahlen verraten allerdings nicht, wie stark sich die Schweizer Industrie in diesen zwanzig Jahren wandelte. Einerseits stieg die Pharmaindustrie, die 1990 noch einen Anteil von 9% an den Exporten produzierte, mit einem Anteil von 30% zur wichtigsten Branche auf. Anderseits änderte sich die Zusammensetzung der Belegschaften in den Industriefirmen grundlegend.

Siegeszug der Symbol-Analytiker

Der zweite Sektor insgesamt – Industrie, Gewerbe, Bau – erlebte in den letzten Jahren eine «Tertiarisierung» durch immer mehr Beschäftigte, die Dienstleistungen erbringen. Die Schweizer Industrie machte exemplarisch eine Entwicklung durch, die der amerikanische Ökonomieprofessor und Ex-Arbeitsminister Robert Reich schon in seinem immer noch lesenswerten Buch «The Work of Nations» von 1991 («Die neue Weltwirtschaft», 1996) aufzeigte: Sie braucht immer weniger Beschäftigte, die repetitive Tätigkeiten ausüben, weil Automaten und Roboter diese übernehmen. Dafür setzt sie immer mehr «Symbol-Analytiker» ein, wie sie Reich nannte, also Menschen, die Probleme lösen, indem sie Symbole manipulieren. Diese Fachkräfte steuern die Produktion (Techniker, Informatiker, Prozessmanager), entwickeln oder vermarkten Produkte (Forscher, Kreative, Marketingspezialisten) oder führen die Unternehmen (Manager, Finanzfachleute).

Führungskräfte vermehrten sich

Diese Entwicklung zeigt sich deutlich in der – leider nicht nach Sektoren erhobenen – Schweizer Beschäftigungsstatistik. Die Zahl der Hilfsarbeitskräfte ging seit 1991 von 255‘000 auf 180‘000 zurück, jene der Maschinenbediener sackte in der Krise der Neunzigerjahre von 194‘000 in kurzer Zeit auf 160‘000 ab und stieg im Boom der Nullerjahre nur wieder auf 180‘000 an. Dafür nahm die Zahl der Techniker in diesem Zeitraum von 600‘000 auf 790‘000 zu, jene der Akademiker verdoppelte sich fast von 574‘000 auf 995‘000 und jene der Führungskräfte verdreifachte sich gar von 116‘000 auf 348‘000.

Talente aus dem Ausland geholt

1991 waren 87 Prozent der Führungskräfte Schweizer, 2011 nur noch 74 Prozent; die Zahl der ausländischen Führungskräfte verfünffachte sich in dieser Zeit. Dieselbe Entwicklung ist bei den anderen hochqualifizierten Beschäftigten zu beobachten. Das zeigt: Die Schweizer Wirtschaft, gerade die Industrie, konnte sich nur wandeln und weiter wachsen, weil sie mangels Arbeitskräfteangebots im Inland die Fachleute, die sie brauchte, aus dem Ausland holte. Und diese Arbeitskräfte brachten ganz andere Qualifikationen mit als die traditionellen «Fremdarbeiter» aus Italien, Iberien und dem Balkan, wie auf der Grafik zu sehen ist. 1970 hatte eine Mehrheit der Ausländer (58%) keinerlei Berufsbildung, 2010 aber nur noch eine kleine Minderheit von 16%. Seit 2000 verfügt die Hälfte der Ausländer über einen Hochschulabschluss.

Fehler nicht wiederholen

Die Probleme, die sich aus dieser Überschichtung ergeben, führen zu immer heftigeren Debatten. Die Schweizer Wirtschaft muss sich deshalb wohl darauf besinnen, die Fehler der 1960er-Jahre nicht zu wiederholen: Damals holte sie (schlecht qualifizierte) Arbeitskräfte ins Land, statt Arbeitsplätze auszulagern – dafür büsste die Schweiz in den 1970er-Jahren mit einer schweren Krise. Heute müssten sich die Unternehmen auf jene Produktion mit der höchsten Wertschöpfung fokussieren, dank der die Schweizer Industrie ihre führende Stellung auch in Zukunft behaupten kann.

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