Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel – und damit verändern sich auch die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Die steigende Anzahl Rentner, die digitale Revolution sowie die veränderten Bedürfnisse an das Berufs- und Privatleben sind Entwicklungen, die unseren Arbeitsmarkt und die damit verbundene Altersvorsorge beeinflussen. Der erste Teil der Blogserie für einen fairen Generationenvertrag setzt sich mit den Herausforderungen auseinander, die dieser gesellschaftliche Wandel an den Arbeitsmarkt und die Altersvorsorge heranträgt.

Länger leben, länger arbeiten?

Wir werden immer älter. Trotzdem arbeiten wir in der Schweiz nicht länger, sondern geniessen die verlängerte Rentenzeit in vollen Zügen. Während ein Pensionär bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben noch durchschnittlich 13.2 Jahre lebte, waren es 2015 bereits 21.2 verbleibende Lebensjahre (BFS, 2017). Somit geniessen unsere Rentner heute acht zusätzliche Jahre Rente bei gleichbleibender Anzahl Beitragsjahre. Über diese Entwicklung wird auch als «Problem» der Überalterung der Gesellschaft gesprochen. Mit dem Pensionseintritt der Babyboomer-Jahrgänge, also den zwischen 1946 und 1964 Geborenen, wird sich die Überalterung noch schneller fortsetzen. Die gute Nachricht lautet: Tritt man heute in den Ruhestand, verbringt man die verbleidenden Lebensjahre selten zu Hause auf dem Sofa.

Auch wir Jungen können von den Rentnern profitieren

Die heutige Rentnergeneration verfügt dank immer besserer Gesundheit und Gesundheitsvorsorge über ein ausgeprägtes Konsum- und Partizipationsverhalten. Abbildung 1 zeigt, dass die 65-75-Jährigen und die über 75-Jährigen den grössten Anteil ihres verfügbaren Einkommens[1] in den Konsum von Waren und Dienstleistungen fliessen lassen. Neben der längeren Pensionsdauer und der immer besseren Gesundheit ist also auch die Finanzstärke der Pensionäre ein entscheidender Punkt. Geld, Zeit und eine gute Gesundheit diese drei Faktoren lassen einen neuen Markt entstehen. Man spricht auch von der Silver Economy – vom Markt für Waren und Dienstleistungen für Pensionäre (siehe auch «Alterspyramide auf solidem Fundament» und «Altersarbeit in den Kinderschuhen»). Mit diesem «silbernen Markt» entsteht ein grosses Potenzial für den Arbeitsmarkt und folglich auch für die Altersvorsorge.

Abbildung 1: Die 65-75-Jährigen verfügen – relativ zu ihrem Einkommen – über die höchsten Konsumausgaben. Dies verdeutlicht ihre hohe Konsum- und Partizipationsbereitschaft. (Quelle: BFS, 2017)

Wie der «silberne Markt» die Altersvorsorge entlasten kann

Wie wird man den Bedürfnissen dieser Marktteilnehmer – also den Pensionären – am besten gerecht? Indem man versucht, ältere Arbeitnehmer möglichst lange im Arbeitsmarkt zu halten. Denn sie verstehen die Bedürfnisse der älteren Kundschaft besonders gut und verfügen über eine grosse Wissensbasis. Bleiben die Arbeitnehmer länger im Arbeitsmarkt, erreicht man damit zwei Ziele: Die Altersvorsorge wird entlastet, weil – erstens – die Anzahl der Beitragsjahre steigt und – zweitens – die Anzahl der Bezugsjahre sinkt.

Wieso bleiben ältere Mitarbeiter nicht bereits heute länger im Arbeitsmarkt?

Die häufig vorherrschenden Bedingungen in den Unternehmen – wenig Zeitautonomie und viel Druck – sowie die unflexible Ausgestaltung des Rentenüberganges tragen jedoch momentan noch nicht zu dem gewünschten Erhalt im Arbeitsmarkt bei. Vielmehr verhindern die häufig unflexiblen Arbeitsverhältnisse und der wenig flexible Rentenübertritt den Verbleib älterer Mitarbeiter im Arbeitsmarkt. Viele Arbeitnehmer verlassen den Arbeitsmarkt pünktlich zur Pension. Somit bleiben die potenziell positiven Effekte der alternden Bevölkerung aus. Das heutige System schöpft das Potenzial der Silver Economy ungenügend aus. Es braucht Reformen, welche die Überalterung der Gesellschaft berücksichtigen und aus einem wahrgenommenen Problem eine Chance werden lassen.

[1] Das verfügbare Einkommen beschreibt das Einkommen, welches einem Haushalt nach Abzug von Steuer- und Sozialleistungen für den Konsum zur Verfügung steht.