Unter einem Kontingent versteht man eine vordefinierte Menge, aus der sich Einzelteile «entnehmen» lassen. Ein Kontingent ist erschöpft, wenn die Summe der «entnommenen» Einzelteile der vordefinierten Menge entspricht. Kontingente finden vor allem in der Aussenhandelspolitik Anwendung, beispielsweise in Form von wert- oder mengenmässigen Begrenzungen des Warenangebots bei der Ein- oder Ausfuhr von Gütern. Auch im Bereich der Zuwanderung verwenden viele Länder Kontingentsysteme, etwa die USA , Kanada oder Australien. Die Schweiz kennt für Arbeitssuchende aus «Drittstaaten» ein Kontingentsystem – die sogenannte Personenfreizügigkeit gilt nur für Bürger der EU/EFTA-Staaten.

Kontingentsysteme stammen aus dem planwirtschaftlichen Werkzeugkasten. Sie sind in der Praxis ausgesprochen ineffizient. In der Zuwanderungspolitik hat dies hauptsächlich damit zu tun, dass es den Behörden schlicht nicht möglich ist, die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt so korrekt vorherzusagen, dass sie die Höhe der Kontingente bedarfsgerecht festlegen könnten. Die Folge sind Planungsunsicherheiten für Gesellschaft und Wirtschaft. Kontingentsysteme schaffen zudem – wie auch die Erfahrungen in der Schweiz zeigen – starke Anreize für ineffizientes Lobbying. Es besteht die Gefahr, dass Partikularinteressen bedient werden, mit Kontingenten Struktur- und Regionalpolitik betrieben und erwünschtes Wachstum verhindert wird.

Zusammensetzung der Zuwanderung: Einreisen nach Einwanderungsgrund

Wenn man sich für die Einführung eines Kontingentsystems entscheidet, kann man diese Ineffizienzen und Nachteile niemals gänzlich verhindern – sie sind bis zu einem gewissen Punkt systeminhärent. Man kann aber bei der Implementierung eines Kontingentsystems zumindest darauf achten, dass die Verzerrungen gering bleiben.

Globalkontingent…

Bei der Festlegung eines Kontingents muss man sich zuerst über die Grundgesamtheit klar werden, auf die es sich beziehen soll. Im Kontext der Zuwanderung wird hierbei oft die Frage aufgeworfen, ob neben den Menschen, die in der Schweiz Wohnsitz nehmen wollen, auch die Grenzgänger erfasst werden müssten. Das erscheint insofern wenig sinnvoll, als die rund 280’000 Grenzgänger ja explizit keine Einwanderer sind. Wollte man sie aber ebenfalls kontingentieren, wäre jedenfalls eine klare Differenzierung unerlässlich, denn bei Grenzgängern fallen Arbeitsort und Lebensmittelpunkt auseinander. Kaum einem bindenden Kontingent unterwerfen lassen sich auch die Asylsuchenden. Sie können ja nicht einfach mit dem Argument ausgeschöpfter Kontingente abgewiesen werden, sondern haben ein international garantiertes Recht auf Überprüfung ihrer Asylgesuche. Deshalb müsste der Asylbereich wohl von einem allfälligen Kontingentsystem ausgenommen werden. Für alle anderen Einwanderer wäre die Umsetzung eines Kontingentsystems dagegen theoretisch möglich. Hierbei lassen sich grob folgende fünf Kategorien unterscheiden (s. Abb.) :

  1. Ausländer mit (bisher nicht kontingentierter) Erwerbstätigkeit: Es sind dies Personen aus EU/EFTA-Staaten, die bisher dank Personenfreizügigkeit ohne Hindernisse in den Arbeitsmarkt «einreisen» konnten.
  2. Familiennachzug: Etwa ein Drittel der Bruttozuwanderung im Jahr 2013 entfiel auf den Familiennachzug, der bisher ebenfalls keiner Kontingentierung unterlag.
  3. Aus- und Weiterbildung: 2013 wanderten rund 17’000 Personen für Aus- und Weiterbildung in die Schweiz ein.
  4. Ausländer mit (bereits bisher kontingentierter) Erwerbstätigkeit: Für neu zuwandernde Arbeitskräfte aus sogenannten Drittstaaten gilt schon heute ein Kontingentsystem. 2013 betrug das Drittstaaten-Kontingent 8 500 Personen (3500 Aufenthaltsbewilligungen und 5000 Kurzaufenthaltsbewilligungen).
  5. Ausländer ohne Erwerbstätigkeit: In diese Gruppe von Einwanderern fallen vor allem wohlhabende «Privatiers» und Rentner.

Wollte man einfach die totale Zuwanderung drosseln, ohne unterschiedliche Einwanderungsgründe zu berücksichtigen, könnte man ein «Globalkontingent» festlegen. Die Zusammensetzung der Einwanderung würde dann weitgehend vom angewandten Vergabesystem für das Kontingent abhängen. So dürfte beispielsweise bei einer Verlosung die anteilsmässige Zusammensetzung der Einwanderer weitgehend gleich wie heute bleiben. Bei einer Versteigerung des Kontingents wäre dagegen mit massiven Verschiebungen zu rechnen, da die Zahlungsbereitschaft der unterschiedlichen Einwanderungsgruppen (oder auch der potenziellen Arbeitgeber) massiv divergieren dürfte. So ist zu erwarten, dass ein Student für die Einreise in die Schweiz weniger zu bezahlen bereit ist als ein Arbeitssuchender, der auf ein künftiges Einkommen hoffen kann.

…oder differenzierte Kontingente?

Will die Schweiz nicht nur die Zahl der Zuwanderer begrenzen, sondern auch deren Zusammensetzung beeinflussen, liegt eine Differenzierung der Kontingente nach dem Einwanderungsmotiv nahe. Vermutlich müsste man dann gesonderte Kontingente für Ausländer ohne Erwerbstätigkeit und für ausländische Studenten schaffen. Bei jenen, die zum Arbeiten in die Schweiz kommen, stellt sich die Frage, ob künftig Bürger von EU- und von Drittstaaten gleich behandelt werden sollten und somit ein einziges Kontingent für Arbeitssuchende – unabhängig von ihrer Herkunft – genügte. Man könnte natürlich auch aus politischen Gründen EU-Bürger – oder sogar nur Bürger gewisser EU -Staaten – bevorzugt behandeln und mit eigenen Kontingenten bedienen. Auch eine zeitliche Differenzierung der Kontingente, etwa nach Kurzaufenthalten und Daueraufenthalten, wäre denkbar.

Der Familiennachzug könnte, sofern dies rechtlich überhaupt möglich ist, entweder in die Kontingente der Arbeitsuchenden eingerechnet werden oder mit einem gesonderten Kontingent «verwaltet» werden. Der Familiennachzug hat in jedem Fall Auswirkungen auf die Struktur der Einwanderer. Eine restriktive Politik des Familiennachzugs dürfte hochqualifizierte Arbeitnehmer stärker abschrecken als schlechter qualifizierte, und naturgemäss Arbeitskräfte zwischen 35 und 55 mehr als junge Singles.

Will man also nicht nur die Höhe der Zuwanderung begrenzen, braucht es vor der Festlegung differenzierter Kontingente einen Konsens über die gewünschte Struktur der künftigen Zuwanderung. Erst danach lässt sich sinnvoll über eine zielführende Ausgestaltung eines Kontingentsystems entscheiden, das zudem Kriterien wie Einfachheit, Transparenz oder Übersichtlichkeit gerecht werden sollte.

Aufteilung der künftigen Kontingente

Der Kampf um die künftigen Kontingente ist bereits entbrannt, das eingangs erwähnte Lobbying in vollem Gange: Branchen und Unternehmen verschiedener Grösse sowie Kantone und Gemeinden melden lautstark ihre Bedürfnisse an und versuchen, die Zuteilung der künftigen Kontingente in einer ihren Interessen dienenden Weise zu beeinflussen. Eine Lösung, die alle betroffenen Kreise zufriedenstellt, wird sich nicht finden lassen – dies liegt in der Sache der Natur, führt künstliche Verknappung doch immer dazu, dass verzichtet werden muss.

Um die Ineffizienzen möglichst gering zu halten, sollte deshalb der Politik nur die Konsensfindung überlassen werden, wie die künftige Zuwanderung zusammengesetzt sein soll, d.h. wie viele unterschiedliche Kontingente definiert und nach welchen Regeln diese ausgestattet werden sollen. Dieser Prozess sollte zudem möglichst transparent ablaufen, um den Raum für Lobbying gering zu halten. Abzuraten ist in diesem Zusammenhang vor allem auch von einer zu feingliederigen Differenzierung der Kontingente, öffnet dies doch Tür und Tor für struktur- und regionalpolitisch motivierte Verteilungskämpfe.

Steht das Kontingentsystem, sollte die Vergabe möglichst effizient erfolgen, das heisst vor allem so, dass Politik und Wirtschaft keinen ungebührlichen Einfluss auf die Vergabe nehmen können. Ein attraktiver Vergabemechanismus wäre sicherlich das Auktionsverfahren. Es würde dafür sorgen, dass innerhalb der einzelnen Kontingente jeweils die «Besten» – also jene Personen mit der voraussichtlich grössten Wertschöpfung – in die Schweiz zuwandern würden. Soll die Zuwanderung schon künstlich eingeschränkt werden, tut die Schweiz gut daran, darauf zu achten, dass sie wenigstens weiterhin die produktivsten Personen anzieht.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in der Publikation «avenir spezial: Gelenkte Zuwanderung».