Christa Markwalder (r.) und Gerhard Schwarz

Nationalratspräsidentin Christa Markwälder (r.) im Gespräch mit Gerhard Schwarz, Direktor Avenir Suisse.

«Es muss möglich sein, sowohl im Unternehmen wie auch politisch Verantwortung zu übernehmen»: Tom de Swaan, Präsident des Verwaltungsrats und CEO a.i. der Zurich Insurance Group, versicherte am Anlass «Transfer» von Avenir Suisse, Swiss Life, Swiss Re und Zürich das Bekenntnis der drei Unternehmen zur «Corporate Citizenship» und zum Schweizer Milizsystem. Die Veranstaltung für Mitarbeitende mit öffentlichen und politischen Mandaten stiess auf grosses Interesse – nicht zuletzt, weil die Podiumsgespräche mit Christa Markwalder, Petra Gössi, Konrad Graber und Beat Kappeler sehr prominent besetzt waren. Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz moderierte die Veranstaltung und lancierte mit einem Inputreferat die Diskussion um das Für und Wider eines Zukunftsfonds.

Vorsorgevermögen für Innovationen

Ein solcher sieht vor, dass Pensionskassen vermehrt in Risikokapital investieren sollten. Das wäre eigentlich bereits heute möglich: Pensionskassen dürfen bis zu 15% des Vorsorgevermögens in alternative Anlagen investieren, wozu auch Risikokapital gehört. Warum tun sie das nicht – erst recht, während im derzeitigen Tiefzinsumfeld risikoarme Anlagen keine genügend hohe Rendite abwerfen?

Tom de Swaan

Tom de Swaan, VR-Präsident und CEO a.i. der Zurich Insurance Group.

Konrad Graber zeigte sich überzeugt, dass es bessere Rahmenbedingungen brauche, damit Pensionskassen vermehrt in Risikokapital investieren – und dass solche Investitionen nötig sind, damit der Arbeits- und Forschungsstandort Schweiz für künftige Generationen attraktiv bleibt. Er hat eine entsprechende Motion beim Bundesrat eingereicht. Viele Pensionskassengremien verfügten nicht über das nötige Fachwissen und kämen bei einem allfälligen Verlust, der nach gängiger Rechtslegung umgehend ausgewiesen werden muss, in Erklärungsnot. Graber betonte, dass es ihm nicht darum gehe, Pensionskassen zu Investitionen in Venture Capital zu verpflichten. «Der Entscheid soll den Pensionskassen überlassen bleiben», sagte er.

Beat Kappeler hingegen bezweifelt, dass es in der Schweiz an Risikokapital fehle. Stiftungen wie zum Beispiel die Sandoz-Stiftung böten Start-ups genügend Mittel. «Was tun Jungunternehmen mit viel Geld? Sie kaufen teure Möbel», bemerkte er polemisch. Die Pensionskassen müssten nicht auch noch auf den Risikokapitalzug aufspringen. Hinzu komme, dass ein Zukunftsfonds kaum geeignet sei, das Renditeproblem zu lösen. Fonds tendierten zu einer Durchschnittsrendite. Hochriskante Anlagen solle man den Profis überlassen, die ihr eigenes Geld investieren. Kommissionen folgten hingegen oft Modetrends, vermutete er.

Einig waren sich Kappeler und Graber, dass es Rahmenbedingungen braucht, die Innovation fördern, anstatt sie zu behindern. Es müsse sich lohnen, Risiken einzugehen. Zu klären bleibt, ob es in der Schweiz am Geld, an den Ideen oder schlicht am Risikoappetit fehle.

Den Finanzausgleich entpolitisieren

Das zweite Schwerpunktthema galt dem Finanzausgleich. Lukas Rühli (Projektleiter Avenir Suisse) zeigte in seinem Inputreferat, dass sich Anstrengung vor allem für die schwächeren Nehmerkantone – zumindest rein finanzpolitisch betrachtet – bei einer Grenzabschöpfungsquote von über 75% kaum lohnt. Das heisst: verbessern diese Stände ihr Ressourcenpotenzial, reduzieren sich ihre Zuschüsse aus dem Finanzausgleichstopf fast um den gleichen Betrag. Umso wichtiger wäre deshalb, dass nicht zu viel umverteilt wird. Doch genau das sei der Fall: Seit Jahren wird die Zielgrösse von 85% (des mittleren Ressourcenpotentials pro Kopf) als Mindestausstattung deutlich übertroffen – eine vom Bund vorgeschlagene Senkung des Transfervolumens hatte jedoch im Ständerat angesichts der Übermacht der Nehmerkantone keine Chancen.

Nationalrätin Petra Gössi (FDP Schwyz) sprach über den Finanzausgleich.

Petra Gössi stellte den Finanzausgleich dennoch nicht grundsätzlich in Frage. Trotzdem seien die Fehlanreize sowie das Ausmass der Umverteilung stossend, und das Verständnis der Geberkantone bröckle: «Wir zahlen, aber die Nehmerkantone machen nichts damit.» Damit schwinde die Solidarität. Gerade der Streit um die Dotierung des Finanzausgleichs zeige, dass es eine Entpolitisierung dieser Zielgrösse brauche. «Als Politiker darf man nie einem System zustimmen, das mehr Profiteure als Leistungserbringer hervorbringt», sagte sie. Sonst lasse sich gegen die Interessen der Mehrheit nichts mehr ändern.

Beim Finanzausgleich gebe es in der Tat Fehlanreize, bestätigte Christa Markwalder. Sie zeigte Verständnis für einen gewissen Unmut, etwa wenn der Kanton Bern mit Innerschweizer Steuergeld die Beamtenlöhne erhöht. Nur sollte nicht das ganze System in Frage gestellt werden. Der Finanzausgleich sei wichtig für die Kohäsion der Schweiz und ein äusserst filigranes Werk. Schraube man daran herum, würden Fehlanreize oft einfach durch andere ersetzt. Es gehe um ein grundsätzliches Bekenntnis zum Steuerwettbewerb, dessen Gegenstück der Finanzausgleich sei.

Zum Schluss dankte Tom de Swaan all jenen, die ausdauernd genug seien, Beruf und politisches Engagement zu verbinden. Der Holländer bekannte sich zum schweizerischen Milizsystem und wagte sogar die Hypothese, zeitgemässe Arbeitsmodelle könnten die Vereinbarkeit von Beruf und Amt wieder stärken.