Gemäss der neusten FMH-Ärztestatistik sind 40% der in der Schweiz tätigen Ärzte Ausländer. Unter jenen, die im Jahr 2022 zugelassen wurden, war der Anteil sogar noch höher: Mehr als die Hälfte (55%) verfügte über ein ausländisches Diplom. Die meisten in der Schweiz anerkannten Diplome in Humanmedizin stammen aus Deutschland (38%), Italien (10%), Frankreich (9%), Rumänien (7%) und Österreich (5%). Mit Ausnahme von Israel ist die Schweiz das OECD-Land, das am stärksten auf ausländische Ärztinnen und Ärzte angewiesen ist.

Chronischer Mangel trotz aller Anstrengungen

Die hohe Zahl ausländischer Ärzte in der Schweiz ist einerseits auf die Attraktivität des Landes zurückzuführen, anderseits aber auch auf den hohen Bedarf an Ärzten zur Deckung der inländischen Versorgung. Mit der Pensionierung von Ärzten könnte sich diese Abhängigkeit vom Ausland noch verstärken. Mehr als ein Fünftel der im ambulanten Bereich tätigen Ärzte ist heute 65 Jahre und älter. Zudem arbeiten junge Ärzte häufiger in Teilzeitpensen als ihre Vorgänger.

Die Schweiz bemüht sich seit einigen Jahren, mehr Ärzte auszubilden. 2011 wurden 800 Masterdiplome in Humanmedizin verliehen, 2021 waren es bereits 1120 Diplome, eine Zunahme von 40%. Damit erhöht sich die Zahl der neu diplomierten Ärztinnen und Ärzte pro 100’000 Einwohner von 9,4 auf 12,5 (+33%). Gleichzeitig stieg die Anzahl Mediziner pro Einwohner um 16%. Trotzdem geht eine Studie des Beratungsunternehmens PwC davon aus, dass bis zum Jahr 2040 mehr als 5500 Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz fehlen werden.

Hinkt die Ausbildung in der Schweiz hinterher?

Ärztemangel ist keine Schweizer Besonderheit. Auch in anderen OECD-Ländern wurden Programme lanciert, um die Zahl der Medizinstudierenden zu erhöhen und den steigenden Bedarf an Gesundheitspersonal in alternden Gesellschaften zu decken. So stieg die Zahl der neu ausgebildeten Ärzte pro 100’000 Einwohner im OECD-Durchschnitt um 32%.

Auch mit ihren 12,5 Medizinern pro 100’000 Einwohnern bildet die Schweiz im internationalen Vergleich weniger neue Ärzte aus als der Durchschnitt der OECD-Länder, wo die Quote bei 14,2 pro 100’000 Einwohnern liegt. Von den 36 OECD-Ländern bilden nur 13, darunter Deutschland (12,4), Frankreich (11,9) und Norwegen (10,9), weniger Ärztinnen und Ärzte aus als die Schweiz

In Ländern wie Italien (18,2), Österreich (16,3), den Niederlanden (15,5) und dem Vereinigten Königreich (13,1) gibt es mehr neue Mediziner pro 100’000 Einwohner als in der Schweiz. Die meisten wurden in Lettland (27,3) und Irland (26,0) ausgebildet. Auch die mitteleuropäischen Nicht-OECD-Länder Rumänien (26,2) und Bulgarien (22,7) bilden vergleichsweise viele Ärzte aus.

Im internationalen Vergleich ist die Schweiz gut versorgt

Die Zahl der neuen Ärzte allein sagt aber noch nichts über die Gesamtsituation aus. Um sich ein umfassendes Bild zu machen, muss man neben den neu ausgebildeten auch die Zahl der praktizierenden Mediziner betrachten (vgl. Grafik).

Ein hoher Anteil an neu ausgebildeten Ärzten kann auch durch einen Nachholeffekt erklärt werden. Dies ist in Ländern mit einer unterdurchschnittlichen Ärztedichte der Fall. Diese bilden zwar mehr aus, haben aber auch einen Nachholbedarf, wie z.B. Ungarn, Belgien oder Lettland (linker oberer Quadrant in der Abbildung).

Andere Länder wie die Niederlande, die Tschechische Republik oder Italien (Quadrant oben rechts) bilden mehr Ärzte als im OECD-Durchschnitt, verfügen aber gleichzeitig bereits über eine hohe Ärztedichte, auch wenn diese geringer bleibt als jene in der Schweiz.

Ein hoher Anteil an neu ausgebildeten Ärzten bedeutet aber nicht immer, dass auch mehr Ärzte in dem Land praktizieren, in dem sie ihren Abschluss gemacht haben. Ein gutes Beispiel hierfür ist Rumänien, das Studiengänge in englischer oder französischer Sprache für ausländische Studierende anbietet, von denen die grosse Mehrheit nach dem Studium in ihr Heimatland zurückkehrt.

Auch Irland ist ein beliebtes Ziel für ausländische Studierende, insbesondere aus dem angelsächsischen Raum, von denen die meisten nach Abschluss ihres Studiums wieder in ihr Heimatland zurückkehren. So muss Irland paradoxerweise Ärzte im Ausland anwerben, obwohl es die zweithöchste Ausbildungsquote in der OECD aufweist.

Personalressourcen optimieren

Die Ausbildung neuer Ärzte ist schliesslich nur ein Aspekt in der Gleichung. Die länderspezifische Situation hängt nicht nur von der Anzahl der Ärzte ab, sondern auch von deren Alter und Beschäftigungsgrad. In Vollzeitäquivalenten ausgedrückt wird die Zunahme der Zahl der Ärzte teilweise durch die Verringerung der Arbeitsstunden von Teilzeitbeschäftigten kompensiert.

In Zukunft dürfte sich der Arbeitskräftemangel noch verschärfen, und die Schweiz wird weiterhin auf ausländische Ärztinnen und Ärzte angewiesen sein, um ihre Bevölkerung zu versorgen. Im Wettbewerb mit unseren Nachbarländern, die ebenfalls ihre Fachkräfte ausbilden und halten wollen, wird es jedoch schwieriger werden, ausländische Talente zu rekrutieren.

Die Bemühungen, die Ausbildung von Fachkräften fortzusetzen und zu intensivieren, werden erst in einigen Jahren Früchte tragen. In der Zwischenzeit können wir den Einsatz unserer Personalressourcen optimieren, indem wir uns auf den Mehrwert und die Qualität der Versorgung konzentrieren, um Ineffizienzen, Doppelspurigkeiten und überflüssige Leistungen einzuschränken.