Für die Abrechnung der Pflegeleistungen bei den Krankenkassen und bei der öffentlichen Hand dürfen die Schweizer Pflegeheime drei Erfassungsinstrumente verwenden: BESA, PLAISIR und RAI/RUG. Alle Instrumente ermöglichen eine Abklärung des täglichen Pflegebedarfs nach der Krankenpflege-Leistungsverordnung in 12 Pflegestufen à je 20 Minuten. Die Methoden, um diesen Bedarf abzuschätzen, sind jedoch je nach Instrument unterschiedlich. Eine Minute Pflegebedarf nach BESA entspricht nicht zwingend einer Minute Pflegebedarf nach RAI/RUG oder PLAISIR. Im Fall von RAI und BESA konnte eine Kalibrierung der 12 Stufen erreicht werden. Die Bemühungen zur Einbindung des PLAISIR-Instruments sind jedoch ins Stocken geraten, die entsprechende Arbeitsgruppe wurde eingestellt.

Gesetzwidrige Unterschiede in der Alterspflege

Diese Unterschiede sind nicht nur für den Effizienzvergleich relevant, sondern auch gesetzwidrig; denn die gleiche Leistung wird dadurch unterschiedlich finanziert. Somit verschiebt sich auch die Kostenteilung zwischen Krankenkassen und öffentlicher Hand. Die Versicherungen müssen nämlich 9 Franken pro Tag und Pflegestufe (pro 20 Minuten Pflege), der Pensionär maximal 21,60 Franken pro Tag und der Staat die restlichen Kosten beisteuern. Wird zum Beispiel für komplexe Fälle mit PLAISIR tendenziell ein höherer Pflegebedarf in Minuten ermittelt, erhöht sich die Kostenbeteiligung der Krankenkasse, beziehungsweise vermindert sich diejenige der öffentlichen Hand.

Die Kantone mit dem PLAISIR-Erfassungsinstrument weisen aufgrund ihrer verrechneten Stunden pro Pflegeperson eine höhere Effizienz von durchschnittlich 39% auf. Ist das Personal in diesen Kantonen wirklich effizienter oder weist PLAISIR einen höheren Pflegebedarf pro Krankheitsbild aus? Angenommen, die Hälfte des Effizienzvorsprungs sei durch bessere Arbeitsprozesse und die andere Hälfte durch «Erfassungseffekte» verursacht worden, resultiert 2014 in den Kantonen Genf, Jura, Neuenburg und Waadt eine Mehrbelastung für die Krankenkassen von 69 Mio. Franken. Verteilt auf die erwachsenen Versicherten der obligatorischen Krankenversicherung dieser Kantone ergab sich dadurch für 2014 eine Mehrbelastung von 60 Franken pro Kopf. Folgerichtig fallen die Steuern für diese Bürger im Durchschnitt um den entsprechenden Betrag tiefer aus, weil die Restfinanzierung in diesen Kantonen kleiner ausfiel. Allerdings wird der Steuerentlastung aufgrund der Progression nicht gleichmässig verteilt.

Je nach Pflegebedarfsinstrument wird die gleiche Leistung anders bemessen

Kantone profitieren von der Ungleichheit

Pikantes Detail: Gerade die Kantone Waadt und Genf hatten sich im Rahmen des Streits um die zu viel, beziehungsweise zu wenig bezahlten Krankenkassenprämien pro Kanton seit der Einführung des Krankenkassenobligatoriums für einen interkantonalen Ausgleich zugunsten ihrer Versicherten stark gemacht. Die jährlich zu viel bezahlten Prämien für die Periode 1996 bis 2013 – der Zankapfel – betrugen allerdings im Durchschnitt pro Kopf «nur» 35 Franken in Genf und 53 Franken in der Waadt, also in einer ähnlichen Grössenordnung wie die potenzielle Verzerrung aufgrund des PLAISIR-Erfassungsinstruments. Wenn es darum geht, die Krankenkassenprämien über die Grenzen hinweg auszugleichen, werden die Regierungen offensichtlich aktiver, als wenn der Ausgleich zulasten der Kantonsrechnung stattfinden sollte.