Der Bundesrat löste am 16. März 2020 die grösste militärische Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg aus. Im ersten und zweiten Corona-Einsatz standen für die Kantone und zivilen Behörden über 6000 Armeeangehörige im Rahmen des Assistenzdienstes im Einsatz, die insgesamt 354’000 Diensttage leisteten.

Produktivitätsverluste auf Seiten der Arbeitgeber

Dies war ein beachtlicher Beitrag der Milizdienstleistenden zum Krisenmanagement der Schweiz, aber vor allem auch der Arbeitgeber, die in dieser Zeit auf ihre Arbeitskräfte verzichten mussten: Die Diensttage fielen sehr kurzfristig an, und wurden auch nur mit 38 Diensttagen pro Milizsoldat an den zu leistenden Ausbildungsdienst angerechnet (bei durchschnittlich 59 geleisteten Corona-Einsatztagen pro Soldat).

2012 hat die Milizkommission des VBS in einer Studie über die Bedeutung der Armee für die Schweiz berechnet, dass die wehrpflichtbedingte Bindung des Faktors Arbeit die Produktivität der Volkswirtschaft durch Abwesenheit am Arbeitsplatz hemmt. Gemeint sind dabei nicht einfach Lohnfortzahlungen, die grösstenteils von der EO übernommen werden, sondern tatsächliche volkswirtschaftliche Produktivitätsverluste. Basierend auf der Berechnungsmethode der Milizkommission VBS können so für den gesamten Corona-Einsatz der Armee volkswirtschaftliche Milizkosten in Höhe von 113 Mio. Fr. veranschlagt werden.

Der Bundesrat löste am 16. März 2020 die grösste militärische Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg aus. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Kantone sollten Subsidiaritätsprinzip einhalten

Das primäre Ziel des Armee-Einsatzes in der Pandemie war es, das zivile Gesundheitswesen vor dem Kollaps zu retten. Dies wurde ohne Zweifel erreicht. Dafür hätten aber nicht Milizsoldaten von den Unternehmen abgezogen werden müssen. Denn sofort nach Anbruch der ersten Corona-Welle meldeten sich 3000 aktive und ehemalige Armeeangehörige freiwillig zum Dienst, von denen die Armee aber nur 100 einzog – mit dem Argument, dass der Aufwand für die Sanitäts-Zusatzausbildung dieser freiwilligen Helfer zu gross gewesen wäre.

Grundsätzlich müssen die Kantone, bevor sie die Armee um Hilfe fragen, zuerst private Ressourcen und den Zivildienst einsetzen. So besagt es das Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 67 des Militärgesetzes. Dies haben sie laut Bundesrätin Viola Amherd zu wenig getan. Aufgrund des staatlich auferlegten Verbots nicht dringender medizinischer Behandlungen musste ausgebildetes Spitalpersonal nach Hause oder in Kurzarbeit geschickt werden, während gleichzeitig Sanitätssoldaten als «billige» Arbeitskräfte eingesetzt wurden, z.B. im Kantonsspital Frauenfeld oder dem Bürgerspital Solothurn. Dass die Kantone auf Nummer sicher gehen wollten, und Armee-Reserven für einen Patienten-Ansturm beantragten, ist bei gleichzeitiger Kurzarbeit des Spitalpersonals nur begrenzt nachvollziehbar. Ausserdem leuchtet es kaum ein, weshalb die Zivildienstleistenden (mit mehr verfügbaren Diensttagen) nicht stärker zum Einsatz gekommen sind. Auch hätte die Armee andere Aufgabenbereiche übernehmen können, z.B. den Aufbau und Betrieb von Impfzentren oder das Contact Tracing (wie z.B. das deutsche Militär).

Die Kantone sollten das Subsidiaritätsprinzip in künftigen Krisensituationen stärker berücksichtigen, um den Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht zu früh zu entziehen und damit den volkswirtschaftlichen Produktivitätsverlust möglichst gering zu halten.

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