Hollywood könnte den Spannungsbogen kaum besser inszenieren. Der High Noon zum Abschluss der 5-jährigen Verhandlungen über das Institutionelle Abkommen zwischen der Schweiz und der EU naht. Doch anders als im gleichnamigen Western, wo am Ende der Marshall das Duell gewinnt, ist keineswegs sicher, dass die Schweiz als Sieger den Platz verlässt.
Der Gesamtbundesrat verschiebt im Wochentakt die Entscheidung. Derweil informiert die Entourage der Bundesräte die Medien laufend über Stimmen- und Stimmungsverhältnisse in der Regierung. Fakt ist: Der Bundesrat ist sich nicht einig. Man könnte fast glauben, der als Diplomat ausgebildete SP-Bundespräsident bremse aus verletzter Politeitelkeit die Paraphierung des Abkommens, weil sich der federführende Aussenminister einst als FDP-Fraktionspräsident zurecht gegen die AHV-Ausbauvorlage stellte. Dass der Primus inter Pares jenem Kollegialorgan vorsteht, das als oberste Behörde für günstige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu sorgen hätte (so die Bundesverfassung), scheint vergessen; dass mehr als 750’000 Vollzeitstellen vom Austausch mit der EU leben, wird vernachlässigt.
Statt das Verhältnis zum wichtigsten Handelspartner durch die Institutionellen zu dynamisieren, um bei Bedarf via Schiedsgericht die einem souveränen Staat zustehenden Rechte einzufordern, besteht das Risiko, dass man zum Bittsteller wird. Bei der Börsenäquivalenz hat man ob der drohenden Nichtverlängerung zwar eine eigene Lösung gefunden, doch was würde die MiFIR-Nichtverlängerung für den Finanzplatz bedeuten? Was ein ausbleibendes Marktzugangsabkommen im Strombereich für die Netzstabilität? Wie gesichert ist das Kabotagerecht für die Swiss im Luftverkehr? Am gravierendsten wäre die Nicht-Aktualisierung des Abkommens über die technischen Handelshemmnisse (MRA).
Pejorativen Meinungen zu den Institutionellen sind Zahlen entgegenzuhalten: In den 20 MRA-Produktbereichen kam es 2016 zu Exporten in die EU für über 74 Milliarden Franken. Allein die Chemie- und Pharmaindustrie spart dank des MRA jährlich bis zu 300 Millionen. In zwei Jahren steht die Rechtsanpassung für Medizinprodukte an. Auch im Agrarbereich stellen Aktualisierungen sicher, dass keine nicht-tarifären Handelshemmnisse bestehen. 2017 gingen Agrarprodukte für 5,6 Milliarden Franken in die EU. Derweil torpedieren die Gewerkschaften den Abschluss der Institutionellen, weil sie auf der 8-Tage-Voranmeldepflicht für ausländische Dienstleistungserbringer beharren. Im Vertragsentwurf sind 4 Tage vorgesehen. Letztlich entscheiden also nach 5-jährigen Verhandlungen 96 Stunden über die Fortsetzung des bilateralen Wegs. Der eines souveränen Staates würdige Ausgang des High Noon sieht anders aus.
Dieser Beitrag ist in der «Handelszeitung» vom 6. 12. 2018 erschienen.