Die Aussage war klar, die Reaktion typisch. «Die beste Alterspolitik ist eine altersneutrale Personalpolitik», forderte ich kürzlich in einem Referat, «zum Beispiel durch den Verzicht auf Altersangaben bei Stellenausschreibungen.» Im Saal nickten 180 Köpfe, was doch signalisiert: Für diese KMU-Chefs und Personalverantwortlichen scheint das selbstverständlich zu sein.
Aber nicken sie nur, oder tun sie auch etwas? Denn wie eine Tagesanzeiger.ch/Newsnet-Analyse von Stelleninseraten beim Internetportal Jobs.ch gezeigt hat: In 11 Prozent der Inserate werden spezifisch Mitarbeiter unter 45 Jahren gesucht bzw. in 1 Prozent der Inserate werden Mitarbeiter, die älter sind als 35 Jahre, angesprochen.
Das Alter kann sehr wohl ein Kriterium bei der Mitarbeitersuche sein. Beispiele: Wenn ein Kleiderladen, der sich auf junge Frauen spezialisiert hat, eine junge Verkäuferin sucht. Oder wenn ein Arbeitgeber ein junges Team gezielt mit älteren Mitarbeitern ergänzen will. In solchen Fällen brächte der Ruf nach Diskriminierungsverboten in Stelleninseraten nichts ausser dem Wohlgefühl der Political Correctness. Denn in solchen Fällen bleibt das Alter das entscheidende Kriterium, und das zu Recht. Auch viele Bewerbende ziehen in solchen Situation Ehrlichkeit und Transparenz vor, um sich unnötigen Aufwand und den Frust von Absagen zu ersparen.
Variierende Wertvorstellungen
Doch häufig ist das Alter ein schlechtes Qualifikationsmerkmal. Es ermöglicht zwar die einfache Triage der Bewerbungen aufgrund des Geburtsdatums, doch sagt es furchtbar wenig über Kompetenzen und Charakter eines Kandidaten aus. Ausserdem variieren die Wertvorstellungen hinter den Begriffen «jung» und «alt» zu stark: Sie meinen oft mehr als nur den Jahrgang.
Ist zum Beispiel mit «jung» in Wahrheit «lernwillig» und «neugierig» gemeint? Dann sollte genau das im Inserat stehen. Ich kenne viele Quereinsteiger, die in Sachen Motivation und Wissensdurst kaum zu toppen sind. Oder wird unter «jung» «zeitlich flexibel» verstanden? Genau diese Bereitschaft zu langer, unregelmässiger Schichtarbeit sollte im Stellenprofil verlangt werden. Viele Car-Unternehmen setzen zum Beispiel bewusst auf ältere Chauffeure, weil diese eher für mehrere Tage ihrer Familie fernbleiben können, während jüngere Kollegen Kinder aus der Schule abholen müssen. Werden junge Mitarbeiter gesucht, weil die Berufserfahrung für die Stelle weniger relevant ist und damit der Lohn auch tiefer ausfällt? Auch hier sollte man es lieber so formulieren: «für den Berufseinstieg geeignet». Es sollte älteren Mitarbeitern freistehen, einen Lohneinschnitt in Kauf zu nehmen und sich für die Stelle zu bewerben.
Die Beispiele zeigen, wie wenig Aussagekraft Altersangaben haben. Politik und Wirtschaftsverbände sind inzwischen zu diesen Einsichten gelangt. Als Nächstes geht es darum, diese in die Organisationen zu tragen und dort bis ganz unten durchzubringen. Linienchefs, Personalverantwortliche und Stellenvermittler sollten untere Kader wie Teamleiter oder Filialleiter ansprechen, wenn sie Alterskriterien bei der Rekrutierung anwenden. Sie sollten ihnen helfen, ihre Vorstellungen hinter der Altersangabe präziser zu artikulieren. Erst wenn diese Übersetzungsarbeit systematisch geleistet wird, wird das Alter als Rekrutierungsmerkmal an Bedeutung verlieren. Erst dann kann auch Altersdiskriminierung im Arbeitsmarkt verschwinden.
Dieser Artikel erschien im «Tages-Anzeiger» vom 21. Februar 2015.