Die sinkenden Umwandlungssätze der Pensionskassen werden oft als Symptom eines Systems angeführt, dem die Luft ausgeht. Aber ist dies ein relevanter Indikator für die Beurteilung der beruflichen Vorsorge insgesamt?
Die zweite Säule basiert nämlich auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Die Höhe der Rente hängt primär vom Guthaben ab, das durch Lohnbeiträge angesammelt wurde. Zusätzlich werden auf diese Guthaben bis zur Pensionierung Anlageerträge und Zinseszinsen erwirtschaftet. Durch Multiplikation des angesparten Kapitals mit einem Umwandlungssatz ergibt sich schliesslich die lebenslange Rente der zweiten Säule. Die Gleichung lautet:
Jahresrente = Sparguthaben x Umwandlungssatz
Wichtig für die Beurteilung ist das Resultat dieser Gleichung: das angesparte Guthaben, multipliziert mit dem Umwandlungssatz. Eine Analyse, die sich einzig auf den Umwandlungssatz beschränkt, sagt nur wenig über die Entwicklung der Renten aus.
Günstige Entwicklung individueller Faktoren
Das mit der obigen Gleichung errechnete Rentenniveau hängt einerseits von individuellen, anderseits von systembedingten Faktoren ab (vgl. Abbildung). Die individuellen Faktoren spiegeln einerseits den Karriereerfolg durch die Höhe des erwirtschafteten Lohns. Anderseits kommen individuelle Entscheidungen wie der Beschäftigungsgrad oder mögliche Unterbrüche in der beruflichen Laufbahn zwecks Familienbetreuung, Weiterbildung oder Auslandaufenthalte zum Ausdruck.
Insgesamt haben sich die individuellen Faktoren eher günstig auf die Leistungen der beruflichen Vorsorge entwickelt, besonders für Frauen. Von 2015 bis 2022 ist der Medianlohn gestiegen, und zwar für Frauen (+5,1%) stärker als für Männer (+3,6%). Im gleichen Zeitraum erhöhten die Frauen ihren durchschnittlichen Beschäftigungsgrad von 70% auf 72%, bei den Männern hingegen sank er leicht von 94% auf 93%.
Das System ist besser als sein Ruf
Neben individuellen hängen die Leistungen auch von systembedingten Faktoren ab. Das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge ist ein Rahmen, das Mindestanforderungen an den Sozialschutz stellt. Pensionskassen können jedoch Leistungen definieren, die eine höhere Kapitalbildung ermöglichen. Die Höhe des angesparten Altersguthabens hängt ausserdem von der Rendite der Pensionskassenanlagen auf den Finanzmärkten ab. Sofern die gesetzlichen Mindestleistungen erfüllt sind, kann das angesparte Guthaben mit dem für jede Pensionskasse spezifischen Umwandlungssatz in eine Altersrente umgerechnet werden.
Die Entwicklung der Systemparameter in den letzten Jahren hat eher zu einer Senkung der jährlichen Leistungen geführt. Von 2015 bis 2022 sind die gesamten Arbeitnehmerbeiträge weniger stark gestiegen als die versicherte Lohnsumme, wodurch sich der angesparte Sparbetrag prozentual verringerte. Gleichzeitig ist der durchschnittliche Umwandlungssatz gesunken, bei Männern deutlicher als bei Frauen. Diese technischen Faktoren wirkten sich stärker als die individuellen Parameter auf die Höhe der Leistungen aus. Dies erklärt zum Teil, warum die durchschnittlichen Leistungen der zweiten Säule um 1% bis 5% gesunken sind. Da im gleichen Zeitraum die Lebenserwartung gestiegen ist, werden allerdings die Leistungen durchschnittlich sechs Monate länger ausgezahlt.
Die Anpassung von technischen Parametern der Pensionskassen bedeutet jedoch nicht, dass das System weniger robust geworden wäre. Im Gegenteil: Die Senkung der Umwandlungssätze reduzierte die Quersubventionierung zwischen Erwerbstätigen und Rentnern. Diese Anpassungen mögen von Neurentnern als ungerecht empfunden werden, sie stärken aber letztlich die Generationengerechtigkeit und verbessern die Renten künftiger Rentner.
Spiegel unserer Entscheidungen und Prioritäten
Das Kapitaldeckungsverfahren der zweiten Säule macht also einerseits die Folgen der Entscheidungen von Einzelpersonen in Bezug auf ihre berufliche Laufbahn sichtbar. Zum anderen spiegeln sie die technischen Parameter, die von den Pensionskassen oder der Politik festgelegt werden – etwa durch die Definition des Rentenalters. Es ist für die Versicherten wichtig, die Konsequenzen dieser individuellen und kollektiven Entscheidungen zu kennen.
Transparenz ist somit keine Schwäche des Systems – im Gegenteil: Dadurch wurden die Pensionskassen angehalten, ihre Leistungen und die Arbeitnehmerbeiträge kontinuierlich den Bedürfnissen der Versicherten und der Realität der Finanzmärkte anzupassen. Eine dezentralisierte und verantwortungsvolle Organisation bremst auch die politischen Versuchungen, Leistungen auf Kosten der nachfolgenden Generation zu versprechen.
Weiterführende Informationen finden Sie in der Studie «Die unterschätzten Leistungen der zweiten Säule».