Jura (JU) ist gemäss Finanzausgleich der ressourcenschwächste Kanton. Sein Pro-Kopf-Ressourcenpotenzial und damit seine standardisierten Steuereinnahmen pro Kopf liegen nur bei 65,1% des schweizerischen Durchschnitts. Nicht viel besser steht der Kanton Bern (BE) da, der sich als (absolut gesehen) grösster Empfängerkanton seit Jahren Kritik gefallen lassen muss. Auf der anderen Seite der Skala stehen die beiden ressourcenstärksten Kantone Zug (ZG) und Schwyz (SZ), deren Vorsprung auf die anderen Kantone Jahr für Jahr wächst. 2017 liegt der Ressourcenindex von ZG bei 264% des Durchschnitts.

Ganz anders das Bild bei den veranschlagten Budgets für 2017: Während JU eine praktisch ausgeglichene Rechnung (-0,6%) und BE sogar einen leichten Überschuss (0,9%) plant, budgetiert SZ ein Defizit von 46,4 Mio. Fr. (-3,2%), obwohl der Steuerfuss von 145 auf 170 Punkte erhöht wurde, und ZG weist trotz Entlastungsprogramm einen Aufwandüberschuss von sogar 132 Mio. Fr. (-9,8%) auf.

Wie ist es möglich, dass die ressourcenstärksten Kantone so hohe Defizite schreiben? Hat ihr Reichtum zu Dekadenz und zum Verlust jeglicher Ausgabendisziplin geführt? Die Grafik wiederlegt diesen Vorwurf in beeindruckender Deutlichkeit. Doch Schritt für Schritt:

  • Die erste Säule zeigt jeweils den standardisierten Pro-Kopf-Steuerertrag des Kantons (inkl. seiner Gemeinden). Er ergibt sich aus dem schon erwähnten Ressourcenpotenzial multipliziert mit der mittleren steuerlichen Ausschöpfung. Er zeigt also, welche Steuereinnahmen pro Einwohner ein Kanton hätte, wenn er sein Steuersubstrat durchschnittlich besteuern würde. Hier zeigt sich die bekannte Reihenfolge: ZG ist weit vorne, mit grossem Abstand folgen SZ, NW und die drei Zentrumskantone BS, GE und ZH. Schlusslichter sind JU und UR.
  • Die zweite Säule zeigt den effektiven Steuerertrag des Kantons (inkl. seiner Gemeinden) pro Einwohner. In ZG, SZ und NW ist der effektive Steuerertrag nur ca. halb so hoch wie der standardisierte, denn die Steuerbelastung ist in diesen Kantonen gesamthaft nur etwa halb so hoch wie im Durchschnitt. In den Stadtkantonen GE und BS übertrifft hingegen der effektive Steuerertrag den standardisierten deutlich, denn sie haben eine klar überdurchschnittliche Steuerbelastung. Das gilt auch für JU und einige weitere ressourcenschwache Kantone wie VS und BE, nicht aber für andere ressourcenschwache Kantone wie UR, GL oder TG.
  • Die dritte Säule zeigt die pro-Kopf-Zahlungen aus dem oder an den Finanzausgleich. Der Ressourcenausgleich orientiert sich am Ressourcenpotenzial und damit an den standardisierten Steuererträgen, nicht an den effektiven, denn die Kantone sollen mit ihrer Steuerpolitik keinen direkten Einfluss auf die Transfers ausüben könnten. Würden die effektiven Steuererträge berücksichtigt, könnte ein Kanton seine Steuern senken und sich seine Einbussen durch den Finanzausgleich kompensieren lassen. Das ist natürlich nicht Sinn der Sache.
  • Die vierte Säule zeigt den effektiven Pro-Kopf-Steuerertrag des Kantons (inkl. seiner Gemeinden) nach dem Finanzausgleich. In Relation zu den effektiven Steuereinnahmen sind die Beiträge, die ZG und SZ in den Ressourcenausgleich zahlen müssen, deutlich höher als in Relation zu ihren standardisierten. ZG muss 23,8% seiner effektiven Steuereinnahmen für den Finanzausgleich aufwenden, der Transfer an JU beläuft sich auf 31,4% und jener an UR sogar auf 52,6% ihrer jeweiligen effektiven Steuereinnahmen. Korrigiert um den Finanzausgleich, liegen die effektiven Steuereinnahmen pro Kopf in ZG nicht mehr höher als in JU (jeweils ca. 9400 Fr./Kopf). Mit nur 5564 Fr./Kopf weist SZ hier noch einen viel tieferen Wert auf. Keinem anderen Kanton (inkl. Gemeinden) stehen nach dem Finanzausgleich so wenig fiskalische Mittel zur Verfügung wie SZ.
  • Die fünfte Säule zeigt den effektiven Pro-Kopf-Steuerertrag des Kantons nach dem Finanzausgleich ohne seine Gemeinden. Der Finanzausgleich orientiert sich gezwungenermassen am standardisierten Pro-Kopf-Steuerertrag eines Kantons inklusive seiner Gemeinden, da der Grad der Dezentralisierung für den Finanzausgleich keine Rolle spielen darf. Die Transfers des Finanzausgleichs laufen jedoch nur über die kantonalen Budgets. An sich wäre es logisch, wenn die Empfängerkantone die Transfers aus dem Finanzausgleich anteilsmässig an ihre Gemeinden weiterleiten würden und die Geberkantone ihre Gemeinden zur Mitfinanzierung der Transfers an den Finanzausgleich verpflichten würden. Das ist aber in keinem Kanton der Fall (einzig ZG, der ressourcenstärkste Kanton, verpflichtet seine Gemeinden – allerdings in sehr geringem Umfang – zu einer Mitfinanzierung der Transfers an den Ressourcenausgleich). Besonders stark spielt der Effekt in Kantonen mit grossem Dezentralisierungsgrad der Steuereinnahmen. Von den Geberkantonen weist Zürich den höchsten Dezentralisierungsgrad auf (48,2% der gesamten Steuereinnahmen von Kanton und Gemeinden entfallen auf die Gemeinden), von den Empfängerkantonen ist es Obwalden (53,7%).

Diese fünfte (blaue) Säule ist letztlich jene, die die tatsächlichen Ertragsverhältnisse der Kantone aufzeigt. Die Resultate sind erstaunlich: Der Verwaltung des Kantons Zugs stehen pro Einwohner nach dem Finanzausgleich 4927 Fr. zur Verfügung. Der Kanton mit dem weitaus höchsten Ressourcenpotenzial fällt damit ins Mittelfeld zurück, während JU vom letzten Platz auf Platz 5 (hinter BS, GE, VD und NE) und BE von 22 auf 6 springt. Den grössten Sprung macht aber SZ: Ihm wird das zweihöchste Ressourcenpotenzial aller Kantone ausgewiesen, nach Ausgleich stehen der Schwyzer Kantonsverwaltung aber weniger Einnahmen zur Verfügung als jedem anderen Kanton!

Diese Zahlen lehren uns zweierlei:

  1. Der Grund für die Defizite von ZG und SZ ist nicht ein Verlust der Ausgabendisziplin. Von allen Kantonen hat SZ sogar die geringsten Ausgaben pro Kopf.
  2. Der Finanzausgleich beschränkt die Möglichkeiten für Tiefsteuerstrategien deutlich. Er setzt dem Steuerwettbewerb damit klare Grenzen. Grenzen, denen sich viele Kantone bisher wohl eher zu wenig bewusst waren. Grenzen, deren Existenz die Skeptiker des Steuerwettbewerbs gerne anzweifeln.
Weitergehende Informationen finden Sie in der aktuellen Studie «NFA 2 - Für die Revitalisierung des Schweizer Föderalismus».