Eine höhere Produktivität ist der Schlüssel zu mehr Wohlstand. Während die durchschnittliche Arbeitsproduktivität in der Schweiz von 1997 bis 2023 um beachtliche 21% gestiegen ist, und seit 2010 sogar schneller als in den USA wächst, ist diese Dynamik nicht über alle Branchen gleichmässig verteilt – im Gegenteil. In der Baubranche wurde über denselben Zeitraum gar ein Rückgang von 2% verzeichnet.

Die schwache Leistung des Baugewerbes wäre vielleicht nur eine Kuriosität, wenn es nur einen geringen Teil der wirtschaftlichen Aktivität ausmachen würde. Das ist nicht der Fall: Sein Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) beträgt fast 5 %, jener am Produktionswert (der auch die Vorleistungen umfasst) sogar 12 %. Letzteres ist entscheidend, um zu verstehen, wie sich die Produktivitätsschwäche im Bausektor die Gesamtwirtschaft beeinflusst.

Kein Kapitalmangel – aber wenig F&E

Doch warum stagniert die Produktivität im Bausektor dermassen? Ein möglicher Grund für die schwache Produktivitätsentwicklung könnte ein geringer Kapitaleinsatz sein. Um Autobahnen oder Wohnungen zu bauen, braucht es nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch Maschinen, die in Kombination mit der Arbeit, Wertschöpfung generieren. Doch an Baggern und Kränen mangelt es auf unseren Baustellen nicht. So liegt der Anteil der Kapitalerträge an der Wertschöpfung – ein Mass für die Kapitalintensität in der Baubranche – seit Jahren stabil bei 28%.

Allerdings investieren Bauunternehmen verhältnismässig wenig in immaterielles Kapital wie Patente oder in Forschung und Entwicklung (F&E). Gemäss einer Umfrage der KOF, verzeichneten 2023 weniger als 10% der Unternehmen – mehrheitlich die grössten – irgendeine Form von F&E-Aktivitäten. Der Bausektor hinkt zudem anderen Branchen in der Digitalisierung hinterher. Die direkten IKT-Ausgaben machen lediglich 1,4% der Vorleistungen aus – ein Wert, der sich seit 2007 kaum verändert hat.

Diagnose Kostenkrankheit

Zudem ist der Bausektor von überdurchschnittlichen Preissteigerungen geprägt (vgl. Abbildung 1). In den letzten 30 Jahren die Bauleistungen deutlich schneller als andere Güter und Dienstleistungen verteuert, nämlich um gut 40% im Vergleich zu 12%. Gleichzeitig hat die Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft seit 1997 real um 65% zugenommen, in der Bauwirtschaft aber nur um 17%.

All das deutet auf eine mögliche «Kostenkrankheit» hin – ein Phänomen, das in eher arbeitsintensiven Branchen mit geringen Automatisierungsmöglichkeiten auftritt. Die Löhne (und somit auch Preise) steigen, obwohl die Produktivität nicht im Gleichschritt mit der übrigen Volkswirtschaft zulegt.

Die Baubranche hat die Entwicklungen, die in der Industrie zu grossen Effizienzsteigerungen geführt haben, somit weitgehend verpasst. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Unternehmensstruktur wider: Während bei Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe im Schnitt rund 20 Personen beschäftigt sind, sind es im Baugewerbe lediglich sieben. Der Anteil der Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten ist in der Industrie fünfmal höher als im Baugewerbe. Besonders das Baunebengewerbe wird von Klein- und Kleinstfirmen dominiert, die durch eine geringe Arbeitsproduktivität gekennzeichnet sind. Grössere Unternehmen, die stärker in Innovationen und Effizienzsteigerungen investieren könnten, sind in der Branche dünn gesät.

Negativer Einfluss der Raumplanung

Doch wie konnte sich diese Branchenstruktur über Jahre hinweg halten? Was hält die Betriebe in der Baubranche klein? Eine provokative Hypothese, die wohl auch für die Schweiz relevant ist, schlägt eine neue Studie aus den USA vor – einem Land, in dem die Produktivitätsschwäche der Bauwirtschaft ebenfalls ein Problem darstellt. Die Studie identifiziert die Raumplanung als Hauptursache: Auch in den USA wird es an begehrten Lagen zunehmend schwieriger, grössere Überbauungen zu planen und zu realisieren. Die durchschnittliche Projektgrösse schrumpft, weshalb Baufirmen allfällige Grössenvorteile nicht voll realisieren können. Das ist auch in der Schweiz durchaus naheliegend, nicht zuletzt, weil Grossprojekte hier häufig als Arealüberbauungen realisiert werden – ein Verfahren, das in der Regel mehr Rekursmöglichkeiten bietet als die klassische Regelbauweise. Dies erschwert die Konsolidierung der Branche und bremst das Produktivitätswachstum.

Diese schleppende Entwicklung zeigt sich schliesslich darin, dass es in der Schweiz immer noch gleich viele Arbeiter braucht, um eine Wohnung zu bauen, wie vor 50 Jahren (Abbildung 2). Die Produktivitätskrise im Baugewerbe ist also auch bei uns ein Problem mit gesamtwirtschaftlicher Tragweite. Während andere Branchen ihre Effizienz steigern konnten, stagniert sie im Bausektor – mit Folgen für die Wohnausgaben von Mietern und Eigenheimbesitzern zugleich.

Auszüge aus diesem Beitrag sind im April-Newsletter der «NZZ Real Estate» erschienen.