Die Post sucht neue Einnahmequellen. Das ist verständlich, denn während jede Schweizerin und jeder Schweizer im Jahr 2000 noch 400 Briefe erhalten hat, dürften es 2030 nur noch 100 sein. Die Post will deshalb «als Treiberin für eine moderne, vernetzte Schweiz die digitale Kommunikation mitgestalten und mitprägen», wie sie schreibt. Einen solchen Satz würde man eher von der Swisscom, Sunrise oder Google als vom gelben Riesen erwarten.

Doch wie soll das geschehen? Der Bundesrat hat nun die Katze aus dem Sack gelassen: Er will ein «hybrides Zustellsystem» in der Grundversorgung verankern, das durch die Post betrieben wird. Jede Person soll demnach künftig wählen können, ob sie Sendungen über einen digitalen Briefkasten von der Post erhalten will. Das Mitmachen ist freiwillig. Wer somit die Post weiterhin auf Papier will, für den ändert sich nichts.

Verwaltung sieht kein Marktversagen

Das klingt zwar vorderhand harmlos, doch wer genauer hinschaut fragt sich: Gibt es überhaupt einen staatlichen Handlungsbedarf? Gleich drei Gründe sprechen für ein Nein:

  • Erstens gibt es die ePost, so heisst der digitale Briefkasten der Post, bereits seit August 2021. Jeder kann den digitalen Briefkasten also schon längst freiwillig nutzen. Im Basisangebot erhält man von Partnerfirmen der Post die Korrespondenz elektronisch übermittelt.
  • Zweitens bieten private Firmen wie Banken oder Krankenkassen ihre eigenen elektronischen Briefkästen an. Im eBanking einer Bank kann man alle Kontoauszüge sowie die Unterlagen für die Steuererklärung herunterladen, und bei der Krankenkasse kann man etwa Belege einreichen. Schliesslich gibt es diverse sogenannte «Secure Mail»-Anbieter, die eine sichere, verschlüsselte Kommunikation erlauben.
  • Drittens muss sich selbst die Bundesverwaltung winden, um einen Grund für ein staatliches Engagement zu finden. Jedenfalls liest man im erläuternden Bericht zur Revision der Verordnung: «Die Kommunikation findet zunehmend elektronisch statt. Das Bedürfnis nach einer sicheren Übermittlung sensibler Daten wird durch ein vielfältiges Angebot privatwirtschaftlicher Unternehmen gut abgedeckt. In diesem Bereich gibt es keine Hinweise für das Vorliegen eines klassischen Marktversagens.»

Was im Bericht der Bundesverwaltung jedoch bemängelt wird: Es fehle Privatpersonen und KMU teilweise das Bewusstsein, dass elektronische Kommunikationskanäle etwa via Email weder sicher noch vertraulich seien. Und deshalb will der Bund nun Private, Behörden und Firmen «stupsen», um die Digitalisierung von Behörden und Wirtschaft zu beschleunigen. Und hierbei soll die Post helfen, die diese Ausdehnung ihrer Rolle auf den digitalen Bereich selbstredend begrüsst.

Diese Argumentationskette zeigt bereits, dass man hier ein Problem auf sehr umständliche Art und Weise zu lösen versucht. Man wird den Verdacht nicht los, dass man ein Problem gesucht hat, um die Post als Lösung zu portieren. Was noch als kreativ bezeichnet werden könnte, bringt handfeste Folgeprobleme mit sich.

Mit der neuen Vorzugsstellung der Post ist nämlich eine wichtige Frage verbunden: Führt dies nicht zu Wettbewerbsnachteilen privater Anbieter? Die Konkurrenz dürfte jedenfalls ein Passus in den Erläuterungen aufschrecken: «Die Erweiterung der Grundversorgung um ein hybrides Zustellsystem kann sich negativ auf alternative Postdienstanbieterinnen und Anbieterinnen digitaler Kommunikationslösungen auswirken.»

Aktivistischer Bundesrat

Immerhin ist sich die Verwaltung also des Problems bewusst. Gemildert werden soll es dadurch, dass die Konkurrenz «auf nichtdiskriminierende Weise» Zugang zum hybriden Zustellsystem haben soll. Der Post wird es zugleich aber ausdrücklich gestattet, dass sie den elektronischen Briefkasten verknüpft mit Dienstleistungen, die nichts mit der Grundversorgung zu tun haben. Sie kann so ein mit einem staatlichen Siegel versehenes Ökosystem für digitale Dienste aufbauen.

Das passt – wenig überraschend – zur Strategie der Post. In den letzten Jahren hatte der gelbe Riese bereits diverse digitale Firmen gekauft, die etwa Buchhaltungsprogramme, die Administration von Sozialhilfefällen oder Cybersecurity anbieten. Zudem hat sie viel Geld in ein elektronisches Patientendossier investiert. Diese Entwicklung ist und bleibt äusserst problematisch. Es ergibt keinen Sinn, dass ein Bundesbetrieb in Domänen vordringt, in denen bisher nur private Firmen tätig waren.

Das Risiko der Wettbewerbsverzerrung werde durch den neu vorgesehenen Zugang zum hybriden Zustellsystem und seinen Schnittstellen zwar reduziert, aber nicht beseitigt, warnen denn auch die Behörden. Diese Problematik ficht den Bundesrat aber nicht an. Er ist offensichtlich aktivistischer unterwegs als seine Behörden, weshalb er die neue Grundversorgung der Post nun forciert.

Die Neuigkeit zur Post von dieser Woche hat es also durchaus in sich. Es ist das erste Mal, dass ein digitaler postalischer Service public festgeschrieben wird. Dies würde eigentlich eine parlamentarische Diskussion verdienen. Doch weil «nur» eine Verordnung und kein Gesetz angepasst werden soll, kommt der Bundesrat darum herum.

So weit, so unbefriedigend. Nun ist es aber an der Politik, sicherzustellen, dass zweierlei nicht passiert. Erstens, dass die Post ihre Marktbeherrschung im analogen Briefmarkt mit einem Marktanteil von über 97% mit staatlicher Schützenhilfe auf den digitalen Bereich ausweitet. Und zweitens, dass die private Konkurrenz bei digitalen Diensten Nachteile hat, die nichts mit der Grundversorgung zu tun haben.