Viele Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, um zu studieren, zu arbeiten oder als Rentner. Motive um im Ausland zu leben gibt es einige. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Auslandschweizer jährlich um 2% an. 2016 legte dieser Wert sogar um 2,9%, bzw. 21’784 Personen zu, während die inländische Stimmbevölkerung nur um 1,1% wuchs. Ein langfristiger Vergleich seit 1999 zeigt, dass die Gruppe der im Ausland lebenden Schweizer mehr als doppelt so schnell gewachsen ist als diejenige der Inländer (vgl. Grafik).
So gross wie der Kanton Neuenburg
Die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer dürften auch in Zukunft bei Abstimmungen und Wahlen stärker ins Gewicht fallen. Laut dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) waren per Ende Dezember 2016 von den 774’923 im Ausland registrierten Schweizern 160’453 in einem Stimmregister eingetragen. Diese Wählerschaft entspricht ihrer Grösse nach etwa derjenigen des Kantons Neuenburg. Wie wichtig den Auslandschweizerinnen und Auslandsschweizern die Vertretung in einem politischen Gremium ist, hat sich gezeigt, als 2015 erstmals einer ihrer Vertreter in den Nationalrat gewählt wurde. Und die Abstimmung zur Revision des Radio- und TV-Gesetzes (RTVG) wurde letztlich dank den Stimmen der Auslandsschweizer angenommen.
Selbstverständlich war und ist der Zugang für die Auslandschweizer zur Urne nicht. Das Stimmrecht für diese Bürgergruppe wurde erst 1975 eingeführt – vier Jahre nach dem Frauenstimmrecht. Bis dahin mussten sich die Auslandschweizer ihre Stimmen verdienen, indem sie in ihre Heimat reisten, um so die «Verbundenheit zu Volk und Heimat» unter Beweis zu stellen, was aufgrund der hohen Reisekosten als diskriminierend empfunden wurde. Eine substanzielle Verbesserung trat erst mit der Einführung der Briefwahl 1991 ein. Doch auch sie hat ihre Tücken – etwa aufgrund der langen Dauer der Postzustellung. Das demokratisch errungene Stimm- und Wahlrecht muss jedoch auch für Auslandschweizer gewährleistet sein.
Bedeutung der E-Democracy
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, wie man diese Wählergruppe besser in die direkte Demokratie einbinden kann. Wie der Deckel auf einen Topf gehört das allgemeine und geheime Stimm- und Wahlrecht zu einem demokratischen Staat. Daher ist es seine Aufgabe, den Bürgerinnen und Bürgern den Weg an die Urne freizuhalten. Für Auslandschweizer liegen die Hürden für eine Stimmabgabe ohnehin höher als für Inländer: Zum einen müssen sie sich registrieren lassen, um überhaupt Abstimmungs- und Wahlunterlagen zu erhalten, zum andern muss die Bereitschaft zur Beschaffung von Informationen über Abstimmungsvorlagen grösser sein als bei Inlandschweizern, die täglich mit lokalen Nachrichten, Kampagnen und Werbematerial konfrontiert werden.
Die Digitalisierung schafft hierbei neue Möglichkeiten: Unter dem Begriff der E-Democracy versteht man die Umsetzung bzw. die Unterstützung demokratischer Prozesse mittels digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien. Unterkategorien der E-Democracy sind die E-Participation (alle Formen von Onlinebeteiligungen) und das E-Voting (Wahlen). E-Voting würde die Stimmabgabe aus dem Ausland signifikant vereinfachen. Erste Versuche sind in diversen Kantonen auf positive Resonanz gestossen und sehr erfreulich verlaufen. Bereits 67% der eingetragenen Auslandschweizer, die regelmässig an Abstimmungen teilnehmen, erledigen dies auf digitalem Weg. Laut Schätzungen des Bundes werden bis 2019 zwei Drittel der Kantone die elektronische Stimmabgabe einsetzen.
Die E-Democracy ist noch ausbaufähig
Diese Entwicklung ist erfreulich, jedoch ist damit das Potenzial der E-Democracy noch längst nicht ausgeschöpft: Ergänzt werden könnte E-Voting beispielsweise um eine E-Discussion: Auf virtuellen Plattformen könnten Stimmbürgerinnen und -bürger öffentliche Projektideen diskutieren und kommentieren. Würden diese Diskussionen in den Vernehmlassungsverfahren berücksichtigt, wären auch die Bürger stärker in den Gesetzgebungsprozess involviert.
Da die Teilnahme an Abstimmungspodien für Auslandsschweizer schwierig ist, würde eine E-Discussion die Meinungsbildung von Schweizern im In- und Ausland fördern und ihren Bezug zur Heimat stärken. Insbesondere die persönliche Einbindung aller Stimmbürger bei Projektideen könnte die Akzeptanz und Qualität der demokratischen Entscheide erhöhen.
Eine weitere Option nebst dem E-Voting ist die E-Initiative, die elektronische Sammlung von Unterschriften. Nebst der Vereinfachung des gesamten bürokratischen Aufwands hätten damit auch Auslandschweizer die Möglichkeit, eine Initiative zu unterstützen.
Das rasante Wachstum der «fünften Schweiz» ist Grund genug, um die zahlreichen Möglichkeiten der E-Democracy auszubauen. Zwingend im Vordergrund stehen müsste allerdings auch hier das Prinzip «Sicherheit vor Tempo», denn der Einsatz von E-Voting darf die Glaubwürdigkeit der demokratischen Prozesse nicht tangieren.