Den wichtigsten Zentralbanken scheint es mit ihrer Politik des «Quantitative and qualitative easing» zunehmend ungemütlich zu werden. Zu diesem Eindruck kommt man, wenn man die jüngsten Versuche der Federal Reserve Bank, der Europäischen Zentralbank (EZB), der Bank of Japan und der Bank of England betrachtet, das Konzept der «Forward guidance», verstanden als zukunftsgerichtete Steuerung und Lenkung der Zinsen, den Märkten näher zu bringen.
Dadurch, dass die Notenbanken die Tiefzinspolitik nun an die Entwicklung einer Reihe von Makrogrössen (Beschäftigung, Wachstum, Inflation) binden, geben sie letztlich auch zu, dass es ihnen bisher nicht gelungen ist, die Konjunktur auf die Beine zu bringen. Deshalb wollen sie in Zukunft bei den Wirtschaftsakteuren gezieltes Erwartungsmanagement betreiben. Bei Leitzinsen in der Nähe von Null liegt die Vermutung nahe, dass dadurch nicht zuletzt eine höhere Inflationserwartung erzeugt werden soll, um die Realwirtschaft anzukurbeln und die Schuldenlast zu senken. Die Notenbanken setzen damit nicht nur ihre Unabhängigkeit, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Wo steht die Schweizerische Nationalbank (SNB) in dieser Frage?
Bekanntlich gehörte die SNB nicht zu den Vorreitern der unkonventionellen Geldpolitik. Als sie im September 2011 die heutige Untergrenze des Frankens gegenüber dem Euro von 1.20 festlegte, tat sie dies, um die schweizerische Volkswirtschaft vor gravierenden deflationären und rezessiven Auswirkungen zu schützen. Sie reagierte damit nicht zuletzt auf die fragwürdigen Geldpolitiken in den USA und der EU, die an den internationalen Finanzmärkten Turbulenzen ausgelöst hatten.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, wenn man von der SNB in Sachen «Forward guidance» bisher kaum etwas gehört hat. Zum einen befinden sich die schweizerische Wirtschaft und der Staatshaushalt im internationalen Vergleich in einer guten Verfassung. Zum andern kann die Schweiz als kleine, stark am Aussenhandel orientierte Volkswirtschaft ihre Geldpolitik nicht einfach an der Entwicklung nationaler Makrogrössen ausrichten, wie dies grosse Länder oder Währungsblöcke tun.
Ausstieg bleibt unklar
Die ultraexpansive Geldpolitik der SNB ist ohne Zweifel mit erheblichen Risiken verbunden, weil auch hierzulande die Zinsen ihre zentrale volkswirtschaftliche Signalfunktion verlieren. Das führt mit der Zeit zu gravierenden Verzerrungen in der Struktur einer Volkswirtschaft. Da die Schweiz in einen internationalen Zins- und Währungsverbund eingeschlossen ist, sind die Handlungsmöglichkeiten der Nationalbank einschränkt. Statt der «Forward guidance» sollten zumindest die Ausstiegsszenarien aus der heutigen expansiven Geldpolitik durchdacht werden. Hier sollen fünf Szenarien vorgestellt werden:
- Das einfachste Szenario – die Probleme lösen sich von selbst: Der «faire» Wert des Frankens könnte sich auf Grund der Inflationsdifferenz zur Euro-Zone allmählich der Wechselkursuntergrenze von 1.20 Franken je Euro annähern, so dass sich diese gleichsam selbst auflösen würde.
- Lebhaftere Kreditentwicklung im Inland und beschleunigtes Wachstum der Geldmenge M3: Dies würde der SNB ermöglichen, die Leitzinsen– immer unter Berücksichtigung der internationalen Wirtschaftslage – anzuheben.
- Stabilisierung der Finanzmärkte in der Euro-Zone als Folge der Schaffung der Bankunion: In der Folge wäre es für EZB – und SNB – leichter, die notwendige Normalisierung der Zinsen einzuleiten.
- Der anhaltende Druck und die Kritik des Auslandes an der schweizerischen Steuer- und Finanzgesetzgebung schwächen den Franken: Die SNB könnte nun den Ausstieg aus der Wechselkurspolitik angehen, was aber mit erheblichen inflationären Risiken für die ganze Volkswirtschaft verbunden wäre.
- Das Worst-Case-Szenario – Zusammenbruch der Eurozone oder Austritt einzelner Länder: Die Lage würde sich weiter zuspitzen und der Druck auf Franken wegen der Wechselkursuntergrenze zunehmen.
Wie die Zukunft aussehen wird, weiss niemand. Deshalb dürfte der Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik auch nicht genau nach den hier skizzierten Szenarios ablaufen. Aber sich auf die Zukunft vorzubereiten, ist allemal gescheiter, als sich von ihr überraschen zu lassen.
Von den Grossen abhängig
Klar ist, dass sich die SNB in einer schwierigen Lage befindet. Einerseits signalisieren verschiedene Indikatoren und nicht zuletzt das jüngst starke Wachstum der Geldmengen und Kredite Handlungsbedarf, d.h. eine Abkehr von der Nullzinspolitik. Anderseits sind ihr die Hände gebunden, weil sie – wahrscheinlich noch für längere Zeit – Gefangene der Geldpolitik anderer Zentralbanken (vor allem der EZB) ist. Deshalb sind heute Forderungen nach einer Aktivierung der Zinspolitik oder einer Anpassung oder gar Aufhebung der aktuellen Wechselkursuntergrenze fehl am Platz.
Gleichwohl sollte die SNB versuchen, ihre geldpolitische Manövrierfähigkeit zurückzugewinnen, sobald sich die internationalen Finanzmärkte beruhigt haben und die Weltwirtschaft einen soliden Wachstumspfad eingeschlagen hat. Zudem bietet sich der gezielte Einsatz von makroprudenziellen Instrumenten als situationsgerechte Handlungsmöglichkeit an. Zu denken ist etwa an zusätzliche Kapitalpuffer, Einführung von Verschuldungsobergrenzen, zeitvariable Kapital- und Liquiditätsanforderungen. Ein gleichwertiger Ersatz für eine konsequente Zinspolitik können diese Instrumente aber nie sein. Deshalb werden uns die aus der ultraexpansiven Geldpolitik resultierenden erheblichen Risiken noch eine Zeit lang begleiten.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie aus dem Diskussionspapier «Zentralbanker als Zauberlehrlinge? – Zum Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik».