Wie sieht das Spital von morgen aus? Diese Frage erörterten vor kurzem Experten aus Medizin und Technologie an einem Workshop bei Avenir Suisse. Die von Dr. Niklaus Bührer (Ehrenrat ETH Zürich) und Prof. Johann Steurer (Leiter Horten-Zentrum für praxisorientierte Forschung/ Universität Zürich) initiierte Veranstaltung vereinte bewusst branchennahe Experten (Ärzte, Gesundheitspolitiker, Spitalmanagement etc.) wie solche aus technischen und betriebswirtschaftlichen Disziplinen. Es gehe auch darum, so Niklaus Bühler, den Standortvorteil der Schweiz durch das einzigartige Cluster im Gesundheitsbereich für die Entwicklung von Visionen zu nutzen. Das Ziel sei, so Michael Hengartner (Rektor Universität Zürich), den Weg von der Erkenntnis zum Patienten so effizient wie möglich zu gestalten.

Eine zentrale Erkenntnis aus den Kurzpräsentationen und der anschliessenden Diskussion lautete: «Wir kennen die Trends, die die künftigen Spitalstrukturen beeinflussen – aber wir wissen nicht, wie das Spital von morgen aussehen und wie es funktionieren wird. Beidem sollte Rechnung getragen werden.»

Spitäler als Knotenpunkte der Gesellschaft

Spitäler gehören in die Zentren, dorthin, wo das gesellschaftliche Leben stattfindet: Dietmar Eberle (Professor für Architektur und Entwurf/ETH Zürich) und Prof. Roman Boutellier (Vizepräsident Planung/ETH Zürich) zeigten sich einig, dass Spitäler ein öffentlicher Raum der Begegnung sein sollten, umso mehr, als die Gesundheitsbedürfnisse in der alternden Gesellschaft zunehmen. Zentral gelegene und gut erschlossene Spitäler würden es den Patienten ermöglichen, auch während eines Klinikaufenthaltes am öffentlichen Leben teilzunehmen, und den Angehörigen, ihre Besuche besser in den Alltag zu integrieren. Zudem würden Behandlungen künftig vermehrt ambulant durchgeführt, was auch für eine zentrale Lage und eine gute Erschliessung spreche. Die Ideen reichen von einem eigenen Bahnhof für die Universitätsklinik bis zur Vorstellung, dass das Erdgeschoss eines Spitals ein öffentlicher Raum der Begegnung sein sollte. Gerade weil sich Funktion und Organisation von Spitälern rasch änderten, sollte der Bau gemäss Prof. Eberle modular und flexibel sein. «Spitäler sollten nicht primär als Spitäler gebaut werden.»

High-Tech versus High-Touch

Das Spital von Morgen, Vortrag von Friedemann Mattern (Bild: Avenir Suisse)

Im Gesundheitsbereich wird das Internet der Dinge zu grossen Veränderungen führen. (Vortrag von Friedemann Matter, Bild: Avenir Suisse)

Die Referate der Technologieexperten Friedemann Mattern (Prof. für Informatik/ETH Zürich), Gerhard Tröster (Prof. für digitale Systeme & Wearable Computing/ETH Zürich) und Roland Siegwart (Prof., Co-Director Wyss Translational Center Zürich) zeigten auf, was der technologische Fortschritt dem Gesundheitswesen bescheren könnte: Von vollautomatisierten Routineuntersuchungen (z.B. Blutdruck und Temperatur messen), Organtransporten durch Drohnen, ambulanter Überwachung durch tragbare Technologie bis zu Essen servierenden und operierenden Spitalrobotern. Der technologische Fortschritt und das Internet der Dinge ermöglichen Zukunftsvisionen, die bereits in wenigen Jahren zum Alltag gehören könnten. Die Herausforderung aber liege darin, wie die Technologie für die Menschen, und nicht primär statt der Menschen eingesetzt werden könne. Letzteres würde dem Bedürfnis der Patienten (und auch des Pflegepersonals und der Ärzte) nach einer individuellen und persönlichen Behandlung zuwiderlaufen.

Effizienz als grosse Herausforderung

Ein betriebswirtschaftliches Rätsel der Medizin konnte auch der Workshop nicht lösen: Warum der technologische Fortschritt in allen anderen Branchen zu tieferen Preisen und effizienteren Prozessen führt, im Gesundheitswesen aber die Kosten im Gleichschritt mit den technologischen Möglichkeiten steigen. Gelten für die Gesundheit andere Gesetze? Ein anwesender Arzt monierte, dass die allumfassende Datenerfassung den Ärzten und dem Pflegepersonal das Leben erschwere. Auch Jürgen Holm (Studiengangleiter Medizininformatik) und Helmut Dietl (Prof. Services and Operations Management/Universität Zürich) sehen Verbesserungspotenzial im Prozessmanagement der Spitäler – dazu brauche es jedoch alle Stakeholder an einem Tisch.

Für Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz ist das Thema Effizienz im Gesundheitswesen angesichts der rasant steigenden Gesundheitskosten eine grosse Herausforderung. Johann Steurer forderte die Teilnehmer zum Abschluss des Workshops dazu auf, den Dialog weiterzuführen. Prof Detlef Günther, Vizepräsident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen/ETH Zürich, forderte eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, um Visionen zu entwickeln, besonders wünsche er sich , dass mehr junge Leute – angehende Mediziner, Informatiker, Ingenieure – an diesem Dialog teilnähmen.

Vor allem, das haben die Teilnehmer des Anlasses wiederholt betont, sollte sich das Spital von morgen stärker als heute an den Bedürfnissen der Patienten und des Spitalpersonals ausrichten – und nicht primär an den Möglichkeiten, die der technische und der medizinische Fortschritt bieten.