Eine der weltweit höchsten Lebenserwartungen gibt es hierzulande. 85,4 Jahre beträgt sie für Frauen, 81,7 für Männer. Die sich verändernde Demografie ist die Konstante des Wandels. 1915 betrug die Lebenserwartung weltweit 34 Jahre, 1965 lag sie bei 56 Jahren. Täglich steigt sie in der Schweiz um rund drei Stunden weiter. Setzt sich die Entwicklung unvermindert fort – und damit ist wegen des medizinischen Fortschritts zu rechnen –, wird in wenigen Jahrzehnten die Vier-Generationen-Gesellschaft Realität sein.
Dennoch scheint die Regel von der «Altersguillotine 65» in Gotthardgestein gemeisselt. Aufgrund der absehbaren Pensionierungswelle der Babyboomer-Jahrgänge sind Mehrkosten in Milliardenhöhe zu erwarten, im AHV-Fonds wird bald Ebbe herrschen. Demografiebedingt ist also in nächster Zeit mit einer noch stärkeren Nachfrage nach älteren Arbeitnehmern zu rechnen. Die Lücke zwischen der Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften und dem verfügbaren einheimischen Arbeitspotenzial wird sich weiter akzentuieren. Entsprechend ist die Erwerbsquote der Ü55 mit 73 Prozent im globalen Vergleich sehr hoch. Ohne Zuwanderung werden der Schweiz bis 2030 rund eine halbe Million Menschen auf dem Arbeitsmarkt fehlen.
Angesichts dieser Fakten müsste eigentlich Ziel der Arbeitsmarktpolitik sein, ältere Arbeitnehmer so lang wie möglich im Arbeitsprozess zu halten. Doch mit einer Überbrückungsrente soll genau für sie ein zusätzliches Sozialwerk installiert werden. Im politischen Hinterkopf schwingt die Absicht mit, ein Signal zu setzen gegenüber den vermeintlichen Ängsten der Bevölkerung vor der Personenfreizügigkeit mit der EU. Gemäss aktuellem Stand der Dinge soll sich für Personen, die mit 55 Jahren ihre Arbeit verlieren, eine Tür zur Pensionierung Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter öffnen. Statt Arbeitsmarktintegration droht also eine Frühverrentung – ungeachtet der demografischen Realitäten.
Ausgeblendet wird, dass die Nachfrage nach älteren Arbeitnehmern ungebrochen ist, seit 2011 sind über eine Viertelmillion Ü55 zusätzlich berufstätig. Ihr Risiko, den Job zu verlieren, ist denn auch deutlich geringer als für den Rest der aktiven Bevölkerung. Seit Einführung der Bilateralen I und der Personenfreizügigkeit ist ihre Beschäftigungsquote stetig angestiegen. Dieses Vertragswerk bewirkte einen eigentlichen Beschäftigungsboom. Von den verbesserten Exportmöglichkeiten in den EU-Binnenmarkt profitiert mittlerweile gegen eine Million Beschäftigte. Es ist auch in diesem Fall ein schlechter und millionenteurer Rat der Politik, auf Emotionen und Ängste statt auf ökonomische Fakten zu setzen.