Nicht zuletzt der starke Zustrom von Ärzten aus dem Ausland hat in den vergangenen Monaten zu einem sprunghaften Anstieg der Anzahl Arztpraxen in der Schweiz geführt. Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass mit der steigenden Ärztedichte auch die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zunimmt. Ärzte mit freien Kapazitäten werden ihren Wissensvorsprung gegenüber ihren Patienten nutzen, um sie zu weiteren, unnötigen Arztkonsultationen zu bewegen («angebotsinduzierte Nachfrage»). Da die Arzttarife staatlich festgelegt sind, geht mit der wachsenden Ärztedichte kein Preiswettbewerb einher – vielmehr steigen die Kosten des Gesundheitssystems, ohne dass die Qualität zunimmt. Kein Wunder also, dass die Politiker eine Wiedereinführung des Ärztestopps in Erwägung ziehen. Doch der rigide Zulassungsstopp hat zwei grundlegende Nachteile. Erstens können damit keine Anreize für Arztpraxen in Randregionen geschaffen werden, wo sich vermehrt eine Unterversorgung abzeichnet. Zweitens fehlt jeder Ansporn für Effizienzsteigerungen.

In den Zentren gibt es ein hohes Potenzial für Kostensenkungen

Grob gesagt teilt sich der Ärztemarkt in zwei Gruppen: «Insider» und «Outsider». Die Insider, welche eine Praxis besitzen, müssen aufgrund des Ärztestopps keine Konkurrenz fürchten. Für Outsider ist es dagegen nur schwer möglich, in den Markt einzutreten, auch wenn sie möglicherweise besser ausgebildet sind und bereit wären, ihre Leistungen zu besseren Konditionen anzubieten. Die ungleiche Situation erlaubt es den Insidern, zusätzliche Renten abzuschöpfen. Das zeigt sich vor allem dann, wenn Ärzte bei ihrer Pensionierung die Praxis teuer an einen Nachfolger übergeben. Die Outsider müssen sich in den Markt einkaufen, profitieren anschliessend aber selber von den Eintrittsbarrieren. Der Zustand ist insofern unbefriedigend, als dass in jenen Regionen mit zu hoher Ärztedichte ein Kostensenkungspotential brach liegt.

Neben dem Zulassungsstopp werden auch weniger rigide Modelle diskutiert, die eine Art Feinsteuerung durch die Kantone zulassen sollen. Bei einem regionalen Überangebot könnten die Kantone die Zulassung von Ärzten einschränken, bei einem Unterangebot Fördermassnahmen einleiten. Allerdings weist die Angebotsregulierung Parallelen zum Zulassungsstopp auf. Letzterer ist ein Spezialfall der öffentlichen Angebotsplanung, wobei unterstellt wird, dass die bisherige Anzahl Ärzte die tatsächlich notwendige darstellt. Ähnlich wie beim Zulassungsstopp gehen auch von einer blossen Angebotsplanung keine Effizienzanreize aus. Das gilt besonders, wenn sie unter dem Vorwand der Sicherung hoher Qualitätsstandards zu einer faktischen Markteintrittsbarriere wird.

Wettbewerb durch Ausschreibung

Eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung von Effizienzanreizen stellt die Einführung eines wettbewerblichen Modells dar. Doch wie entsteht Konkurrenz, wenn der Staat die Tarife und die Anzahl Ärzte bestimmt? Ein effektives Instrument stellt ein Auktionsmodell bei der Ärztezulassung dar. Die Vergabe von Praxiskonzessionen erfolgt dabei durch eine öffentliche Ausschreibung. Ein solches Modell vermag Wettbewerb zwischen Insidern und Outsidern zu schaffen. Dabei legt der Regulator in einem ersten Schritt die Anzahl notwendiger Ärzte bzw. Arztpraxen pro Region fest. In einem zweiten Schritt erfolgt die öffentliche Ausschreibung für den Betrieb der Praxen. Im Rahmen einer «umgekehrten holländischen Auktion» offeriert der Regulator zu Beginn einen Behandlungstarif, der z. B. 20% unter dem bislang existierenden liegt. Sind bei diesem Tarif zu wenig Ärzte bereit, Leistungen zu erbringen, erhöht der Regulator den Tarif stufenweise solange, bis ausreichend Ärzte Bereitschaft signalisieren. Eine zwingende Voraussetzung für ein solches Auktionsmodell ist die Existenz eines Tarifgerüsts, welches den Wert von Einzelleistungen durch ein Taxpunktesystem vergleichbar macht, ansonsten müsste jede Leistung einzeln ausgeschrieben werden. In der Schweiz erfüllt Tarmed diese Anforderung.

Bedarfsgerechtes Angebot

Das Modell weist im Vergleich zu einer rigiden Angebotsplanung zwei wesentliche Vorteile auf. Erstens wirkt der Auktionsmechanismus als Wettbewerbsinstrument. Dort wo die Ärztedichte zu hoch ist, sind durch die Konkurrenz bei der Ausschreibung tiefere Tarife zu erwarten. Zweitens wird ermöglicht, dass gerade in ländlichen Gebieten, wo heute der Betrieb von Arztpraxen unattraktiver ist, relativ höhere Tarife resultieren und so einen drohenden Ärztemangel abwenden. Das System verhindert damit regionale Über- bzw. Unterangebote. Durch die periodische Wiederholung der Ausschreibung kann der Regulator ausserdem auf regionale oder strukturelle Veränderungen wie z.B. die Anzahl angestellter Ärzte pro Praxis reagieren. Natürlich liesse sich argumentieren, dass das Auktionsmodell den Aspekt der Qualität vernachlässigt. Das allerdings gilt auch für das heutige System. Qualitätssicherung und -transparenz müssen unabhängig davon vorangetrieben werden.

Auch den Vertragszwang einer Prüfung unterziehen

Das Auktionsmodell liesse sich ausserdem mit dem wenig marktwirtschaftlichen System des Vertragszwangs zwischen Ärzten und Versicherern kombinieren: alle Ärzte mit Konzession wären zur Abrechnung in der Grundversicherung berechtigt. Die Massnahme könnte daher relativ einfach ohne grundlegende Systemveränderungen umgesetzt werden. Allerdings gilt es anzufügen, dass der beschriebene Mechanismus nicht fähig ist, die optimale Anzahl Ärzte pro Kanton oder Region zu bestimmen.

Zwangsläufig stellt sich daher die Frage, ob die Arztplanung bzw. der Ärztestopp überhaupt sinnvolle Steuerungsinstrumente sind. Einerseits erschwert die zunehmende Patientenmobilität die Planung innerhalb der Kantonsgrenzen. Andererseits sind die Determinanten der Inanspruchnahme von Arztleistungen wie Geschlecht, Wohnregion, Nationalität, Sozialschicht und Versicherungsstatus vielschichtig und veränderlich, so dass eine kohärente Planung komplex ist. Längerfristig wird eine Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Versicherern und Ärzten als Alternative diskutiert werden müssen. Das beschriebene Auktionsmodell wird dann allerdings nicht hinfällig. Vielmehr könnte es auch für Versicherer ein Instrument darstellen, um effiziente Tarifverhandlungen mit ihren Leistungserbringern zu führen.