Die Schweiz war schon immer ein teures Reiseland. Die hohen Löhne, Immobilien- und Lebensmittelpreise verteuern auch die heimischen Tourismusprodukte. Doch der starke Franken hat die Wettbewerbsfähigkeit der Branche nochmals dramatisch verschlechtert. Die 15% Aufwertung infolge der Freigabe des Euro-Mindestkurses durch die SNB Anfang 2015 (von 1.20 auf 1.05 Fr. pro Euro) war dabei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Noch 2008 lag der Wechselkurs bei 1.65 Fr./Euro, d.h. in den letzten sechs Jahren hat sich der Franken gegenüber dem Euro um 36% aufgewertet. Ferien in der Schweiz sind im Vergleich etwa zu Österreich um mehr als einen Drittel teurer geworden.
Der Tourismus ist eine standortgebundene Dienstleistung. Anders als viele Industriebetriebe können Hotels, Restaurants und Bergbahnen ihren lokalen Kostennachteil nicht durch den Einkauf von Vorleistungen aus dem günstigeren Ausland wettmachen. Zudem stammen viele Gäste aus dem Euroraum und auch die einheimischen Urlauber zieht es wegen dem harten Franken zunehmend ins Ausland. Dabei leidet der klassische Bergtourismus deutlich mehr als der Städtetourismus, der einen hohen Anteil an weniger preissensitiven Kurzurlaubern und Geschäftsreisenden aufweist.
Bergtourismus vor grossen Herausforderungen
Mit dem Bergtourismus trifft der harte Franken eine Branche, die sich ohnehin mitten in einem schwierigen Strukturwandel befindet. Ursache sind zum einen externe Faktoren wie der Rückgang im traditionellen Skitourismus, mildere Winter, die Wirtschaftskrise in wichtigen Herkunftsländern oder die Konkurrenz durch sonnige Ferndestinationen, die heutzutage günstig mit Billigfliegern zu erreichen sind. Gleichzeitig hat die Zweitwohnungsinitiative die mit dem Tourismus eng verflochtene Baubranche hart getroffen. Die Krise hat aber auch brancheninterne Ursachen, wie die fragmentierte Beherbergungsstruktur, den Investitionsstau und ein in kleine Regionen zersplittertes Tourismusmarketing.
Die «Produktivitätspeitsche» des harten Franken könnte die überfällige Strukturbereinigung im Bergtourismus vorantreiben (z.B. Konsolidierung in der Hotelerie) und nötigen Reformen anstossen. In einigen Fällen kann aber der währungsbedingte Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in einer ohnehin margenschwachen Branche auch Strukturen beschädigen, die bei einem günstigeren Wechselkurs durchaus überlebensfähig wären. Umso mehr besteht die Herausforderung darin, den Strukturwandel aktiv zu gestalten und zwar so, dass die Branche langfristig wieder wettbewerbsfähig wird.
Was ist zu tun? Zu einem erfolgreichen Strukturwandel können Massnahmen beitragen, die …
- … Kräfte bündeln, wie die Fusion regionaler Standortmarketing-Organisationen (z.B. im Engadin) oder der Aufbau von Dachmarken (z.B. die erfolgreiche Dachmarke Graubünden).
- … Stärken stärken, durch Leuchtturmprojekte (z.B. das Resort Andermatt) oder Destinationsentwicklungsstrategien, die die Profilbildung fördern (z.B. für Wellness- oder Kulturtourismus ).
- … Alleinstellungsmerkmale schaffen, wie der Aufbau von Regionalpärken (zur Inwertsetzung besonderer Landschaften), markante Investitionen (z.B. die Therme Vals) oder regionale Produkte.
- …die Wettbewerbsfähigkeit fördern, insbesondere Investitionen (z.B. die Skigebietsverbindung Lenzerheide-Arosa) und Produktinnovationen (Sportangebote zum Ausbau des Sommertourismus).
- … Synergien freisetzen, wie Einkaufsgemeinschaften von Hotels, Produktbündelung (z.B. die Weisse Arena Flims Laax) oder der Aufbau von Wertschöpfungsketten im sanften Tourismus im Rahmen von Pärkeprojekten.
- … knappe Ressourcen effizient nutzen, wie die Priorisierung öffentlicher Infrastrukturinvestitionen in strukturrelevante Projekte, statt Subventionsverteilung mit der Giesskanne
Da der Schweizer Tourismus im internationalen Vergleich besonders teuer ist, muss er ein entsprechend hochwertiges Angebot aufweisen. Die Schweiz bietet alle Voraussetzungen zum Premiumanbieter: einmalige Landschaften, intakte historische Städte, Top-Destinationen (z.B. Zermatt, St. Moritz, Gstaad), eine hohe Dichte und Vielfalt an Sehenswürdigkeiten, eine erstklassige Infrastruktur, die zentrale Lage in Europa und die Mehrsprachigkeit des Landes. Für all diese Vorteile steht die Premium-Marke Swissness. Hinzu kommen komplementäre Produkte im Luxussegment, die auch dem Tourismus zugutekommen (z.B. Luxusuhren, Private Banking, Internate, die Art Basel, das WEF).
Angesichts dieser hervorragenden Standortbedingungen hat der Tourismus in der Schweiz gute Zukunftschancen, wenn es ihm gelingt, mit umfassenden Reformen auf den Kostenschock infolge der Frankenaufwertung zu reagieren. Wie die genannten Beispiele zeigen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Strukturwandel in der Branche aktiv zu gestalten und so die Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus-Standortes langfristig zu stärken.