Diese Woche war es wieder einmal so weit: Der Bundesrat hat eine weitere Auslegeordnung zur Medienpolitik publiziert. Er will damit eine Strategie für eine «zukunftsgerichtete Medienförderung» aufgleisen. Mit Zukunft hat sein Postulatsbericht aber nur wenig zu tun – ausser, dass eine überfällige Reform wieder einmal in die ferne Zukunft vertagt wird.
Schon im ersten Abschnitt des Berichts gerät man ins Stocken: «Vor allem bei den jüngeren Zielgruppen hat sich die Mediennutzung in den letzten Jahren weg von den traditionellen Medien hin zu Online-Angeboten und sozialen Medien verschoben.» Das klingt, als wären Facebook und Co. gerade erst gegründet worden. Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein.
So befragt das Reuters Institute regelmässig Personen in verschiedenen Ländern zu ihrem Medienkonsum. Dabei gaben in der Schweiz schon 2016 über 60 Prozent der 18- bis 24-Jährigen an, ihre Hauptnachrichtenquelle seien soziale Netzwerke und Onlineplattformen. 2023 waren es fast 80 Prozent. Die Medienlandschaft hat sich über die vergangenen zwei Jahrzehnte radikal gewandelt.
Die Schweizer Medienpolitik steckt hingegen weiterhin im 20. Jahrhundert fest. So wurde 2022 die Postzustellung von Zeitungen und Zeitschriften mit über 120 Millionen Franken subventioniert – einerseits durch einen Bundesbeitrag, andererseits durch eine Kostenunterdeckung von der staatlichen Post. Ein noch grösserer Teil der Medienförderung fliesst zur SRG. Diese wird pro Jahr mit gut 1,2 Milliarden Franken über die Abgabe für Radio und Fernsehen alimentiert.
Damit besteht die heutige Medienförderung primär aus Instrumenten, die einst für Radio, Fernsehen und Zeitungen geschaffen wurden. Eine solche veraltete Medienpolitik bringt Probleme mit sich. Erstens werden die subventionierten traditionellen Medien gegenüber allen anderen bevorteilt – der Wettbewerb wird verzerrt. Zweitens werden mit öffentlichen Geldern überholte Technologien und Strukturen künstlich am Leben erhalten. Drittens hat diese Förderung sozialpolitisch unerwünschte Effekte: Weil ältere Semester mehr traditionelle Medien konsumieren, profitieren sie von den Subventionen stärker als jüngere.
Auch der Bundesrat hält in seinem jüngsten Bericht fest, dass diese Situation unbefriedigend sei. Die Lösungsvorschläge darin vermögen aber nicht zu überzeugen. Vieles davon ist Aufgewärmtes aus jenem Massnahmenpaket, das vor zwei Jahren an der Urne gescheitert ist. Der Bericht kommt einem etwas hilflosen Patchwork an Subventionsvorschlägen gleich. Einerseits liegt das daran, dass der Bundesrat sich auf eine Auslegeordnung ohne Empfehlungen beschränkt. Anderseits wird explizit – und nicht wirklich im Sinne des im Postulat formulierten Auftrags – darauf verzichtet, eine langfristige Strategie auszuarbeiten, für die eine Verfassungsänderung notwendig wäre.
Doch ohne eine solche Strategie wird kaum je eine Anpassung der Verfassung angestossen werden. Und genau eine solche Anpassung ist unumgänglich. Der entsprechende Verfassungsartikel konzentriert sich heute auf Radio und Fernsehen: Er ist nicht technologieneutral. Damit lässt er dem Bund keinen Spielraum für eine zukunftsgerichtete Medienpolitik. Das zeigt der jüngste Bericht mit seinem Subventionen-Patchwork: Dieses ist zwar auf Gesetzesstufe umsetzbar, es fehlt ihm aber an Kohärenz. Nur über eine Verfassungsänderung lässt sich die Schweizer Medienpolitik ganzheitlich reformieren. Eine solche Reform befasst sich konsequenterweise auch mit einer Neugestaltung der Abgabe für Radio und Fernsehen – Medienpolitik ohne die SRG ist wie Hamlet ohne den Prinzen.
Wie eine zukunftsfähige Medienpolitik aussehen könnte, dafür gibt es durchaus Ideen. Zum einen haben die beiden Schweizer Professoren Peter Hettich und Mark Schelker 2016 eine zielgerichtete und plattformunabhängige Ex-Post-Förderung vorgeschlagen. Zum anderen hat Avenir Suisse vor zwei Jahren skizziert, wie die SRG im Rahmen einer neuen Medienpolitik zu einem technologie- und wettbewerbsneutralen Public Content Provider weiterentwickelt werden könnte; dieses Modell wurde von der Denkfabrik bereits 2014 in den Grundzügen entwickelt.
Zu jener Zeit standen die digitalen Umwälzungen noch am Anfang. Zehn Jahre später stecken wir mittendrin, doch in Bundesbern scheint man weiterhin alle Zeit der Welt zu haben. Weil erst kürzlich neue Radio- und Fernsehkonzessionen vergeben wurden, schreibt der Bundesrat in seinem Bericht zu einer grundlegenden Reform: «Ein Zeithorizont nach 2034 wäre dabei sinnvoll.» Nochmals zehn Jahre ins Land streichen zu lassen, ist aber alles andere als sinnvoll. Vielmehr erinnert dieses Vorgehen an ein Zitat des britischen Literaturnobelpreisträgers Harold Pinter: «Zukunft ist die Ausrede all jener, die in der Gegenwart nichts tun wollen.»
Dieser Text ist in der «NZZ am Sonntag» vom 25. Februar 2024 erschienen.