«Mein ganzes bisheriges Leben war geprägt davon, Verantwortung für die Allgemeinheit zu tragen. Da braucht es ein hohes Mass an Eigenverantwortung, Verlässlichkeit und Gemeinsinn» sagte UBS-Verwaltungsratspräsident Axel Weber in seinem Eröffnungsreferat des Abendlichen Gesprächs, zu dem die Paulus-Akademie, die evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich, die Hanns-Seidel-Stiftung und Avenir Suisse ins Zürcher «Zunfthaus zur Schmiden» eingeladen hatten.

Axel Weber, der lange Jahre als Universitätsprofessor und als Präsident der Deutschen Bundesbank tätig gewesen war, betonte, dass sein persönliches Wertegerüst nicht nur beinhaltet, was man tun soll, sondern auch, was man besser bleiben lässt. «Unter Umständen heisst das: Man muss auf Aufgaben verzichten, die nicht der eigenen Überzeugung entsprechen.» Für die UBS der Zukunft bedeute dies: weniger Risiken, weniger Komplexität und dafür eine stärkere Konzentration auf Dienstleistungen, die für unseren Kunden und für die Schweizer Wirtschaft besonders wichtig sind. Die derzeitige Transformation der UBS sei eine grosse Herausforderung, denn «einen Tanker dreht man nicht so schnell um wie ein Schnellboot». Er habe grosses Verständnis für das Kopfschütteln, das der Libor-Fall hervorgerufen habe. Dennoch sei dies ein Thema der Vergangenheit, die UBS habe daraus gelernt und sei heute viel solider aufgestellt.

Der «tiefgreifende Hausputz» hat natürlich Auswirkungen auf die Anforderungen, die an die Mitarbeiter gestellt werden: Fehlerhaftes Verhalten wird grundsätzlich nicht mehr toleriert. Bezüglich Lohntransparenz könne man der UBS, die ihr Vergütungsmodell diese Woche im Internet publiziert habe, wenig vorwerfen. Mittel- bis langfristig werden sich die Löhne in der Bankbranche nach unten bewegen – dies aber sei ein langer Weg mit mehreren Lohnrunden, den die UBS auch nicht ohne Blick auf die Konkurrenz gehen könne. Von den Kunden erhalte man bereits sehr viele positive Signale für das in den letzten Monaten Erreichte und auch der Aktienkurs habe sich deutlich erholt. Axel Weber zeigte sich zuversichtlich, dass die UBS ihr in weiten Teilen der Schweizer Öffentlichkeit immer noch angeschlagenes Image wiederherstellen kann.

Die Nagelprobe erfolgt an der Front

«Welcher Wert ist der wichtigste in der Unternehmensführung?» fragte Gerhard Schwarz anschliessend auch die anderen Teilnehmer der Podiumsdiskussion: Matthias Mölleney (Unternehmensberater und ehemaliger Personalchef der Swissair), Bruno Staffelbach (Universität Zürich) und Otfried Höffe (Universität Tübingen). Die Antwort lautete fast unisono: Vertrauen. Axel Weber  warf ein, dass das Wort «Kredit» vom lateinischen «credere» (glauben, vertrauen) abstamme und nicht zuletzt deshalb Vertrauen das A und O des Bankgeschäfts sei.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass jeweils der Charakter der Führungskräfte entscheidend sei. Matthias Mölleney betonte die Verantwortung des Top-Managements bei Beförderungen, denn jedes Unternehmen brauche authentische Vorbilder: «Eine Teamwork-Kultur kann sich nicht etablieren, wenn die Kader Einzelkämpfer sind».

Axel Weber hob die Rolle der «ersten Verteidigungslinie» hervor: Die Mitarbeiter an der vordersten Front, die das Geschäft betreiben, tragen die grösste Verantwortung. Die zweite und dritte Verteidigungslinie, Controlling und Interne Revision könnten lediglich Schadensbegrenzung betreiben. Eine zentrale Frage sei deshalb: «Was können wir tun, um die Frontlinie im Geschäftsgebaren zu stärken? Dazu gehöre, dass sich die Leute nicht nur auf den eigenen Erfolg konzentrieren, sondern auch den Gesamterfolg und die Reputation des Unternehmens im Sinn haben.»

Bruno Staffelbach bekannte, dass sich Werte letztlich im täglichen Geschäftsleben bewähren müssen und in der theoretischen Ausbildung nur schwer zu vermitteln sind: «An Unis hat eine Ethikvorlesung den gleichen Wert wie die Predigt des Pfarrers in der Kirche.»

Die globalisierte Wirtschaft braucht Toleranz

Die Podiumsteilnehmer brachten ausserdem die grosse Vielfalt an regionalen und kulturellen Werten zur Sprache: In China drehe sich die Wertediskussion um die Frage, wie man die Armen am Wachstum teilhaben lassen könne, während sich in Europa mit seinem Wachstum nahe Null die Diskussion auf die Höhe der Löhne konzentriere. «Tragisch ist, dass dabei die Perspektivlosigkeit der jungen Europäer und vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit nicht diskutiert wird.», meinte Otfried Höffe.

Bei der Führung globaler Unternehmen müssten auch regionale Werte in der Zukunft eine grössere Rolle spielen, erklärte Axel Weber. «Die Fehler der Vergangenheit liegen auch in der traditionell zu grossen Konzentration auf globale Werte und zentrale Führungsstrukturen.»

Verunsichert zeigten sich die Diskussionsteilnehmer ob der wachsenden globalen Wertevielfalt nicht, vielmehr sahen sie in ihr eine Chance:

«Die Transparenz ist grösser geworden. Die Menschen können sich heute entscheiden, wie sie sich als Mitarbeiter, als Konsument oder als Berater verhalten», meinte Matthias Mölleney. Bruno Staffelbach sprach in diesem Zusammenhang von «Parzellierung»: Menschen fühlen sich von einzelnen Organisationen und Arbeitgebern unterschiedlich angesprochen.

«Die Welt ist nicht schlechter geworden. Aber wir sind sensibler», stellte Otfried Höffe fest – und Klagen über den Verlust der Werte gäbe es im Übrigen seit dem alten Ägypten.

«Die Pluralität der globalisierten Welt ist etwas Gutes», schloss Axel Weber. «Wertevielfalt ist kein Problem, man muss sie vielmehr akzeptieren und bejahen. Man darf auch nicht einfach einen gemeinsamen Pool von Werten zentral aufzwingen, sondern man muss sie lokal leben.»