Internationale Studien zeigen, dass die Geburtenrate sinkt, je höher die Betreuungskosten sind. Und diese sind in der Schweiz viel zu hoch. Das stellt vor allem die hoch qualifizierten Frauen vor einen existenziellen Konflikt: Entweder sie reduzieren den Beschäftigungsgrad – und verzichten wohl auf die Karriere – oder geben ihren Kinderwunsch auf. 

In den letzten Monaten war oft von der «Heiratsstrafe» die Rede, der steuerlichen Benachteiligung der Ehepaare. Doch es gibt eine andere Heiratsstrafe, unter der Hunderttausende hoch qualifizierter Frauen leiden. Mit ihr befasst sich die Politik nur wenig. Die Schweiz ist nämlich das Land der gebildeten, kinderlosen Frauen: Rund 30 Prozent der Frauen mit Hochschulabschluss haben keine Kinder – und viele bleiben ledig. Bei den Frauen, die nur die obligatorische Schule besucht haben, liegt die Quote der Kinderlosen hingegen nur bei 13 Prozent; bei jenen mit Lehrabschluss sind es 15 Prozent. Diesbezüglich ähnelt die Schweiz eher Italien oder gar Taiwan als Schweden und Kanada.

Ausgeprägte Kinderwünsche

Das wäre alles kein Problem, wenn es den Wünschen und Erwartungen der Frauen entspräche. Karriere und ein spannender Beruf sind nachweislich Quellen ausgeprägter Befriedigung – nebst höherem Einkommen. Doch, wenn man sie nach ihren Kinderwünschen befragt, unterscheiden sich die Antworten der Frauen mit Uni- und Hochschulabschluss kaum von den übrigen. Nur 6 Prozent der 20- bis 29-Jährigen wünschen sich gar kein Kind. 91 Prozent träumen von zwei Kindern oder mehr.

Betreuungskosten für Kinder stellen eine oft vergessene Art von «Heiratsstrafe» dar. (Bild Fotolia)

Betreuungskosten für Kinder stellen eine oft vergessene Art von «Heiratsstrafe» dar. (Bild Fotolia)

Warum gehen in der Schweiz Wunsch und Realität bei den Gutqualifizierten derart stark auseinander? Hier muss man die Verteilung der Aufgaben im Haushalt berücksichtigen – sprich, das Verhalten und die Wertvorstellungen der Männer. Sämtliche Länder, die sehr tiefe Geburtenraten verzeichnen ( Japan, Italien, Spanien, aber auch Deutschland) sind durch eine traditionelle Arbeitsteilung im Haushalt gekennzeichnet. In der Schweiz bieten Väter vermehrt Unterstützung, doch bei genauerem Hinschauen sind die alten Muster auch in Akademiker-Haushalten noch weit verbreitet. Der Anteil der Paarhaushalte mit jüngeren Kindern, in denen die Kinderbetreuung hauptsächlich von den Müttern wahrgenommen wird, ist weitgehend unabhängig vom Bildungsniveau. Kein Wunder also, dass viele hoch qualifizierte Frauen häufig ganz auf die Mutterschaft verzichten – sie haben mehr zu verlieren.

Nicht, dass die Schweizer Männer wesentlich anders ticken als diejenigen in andern europäischen Ländern. Sogar in den egalitären nordischen Ländern bleibt die Haushalt- und Erziehungsarbeit mehrheitlich Sache der Mütter. Doch in Skandinavien, in den USA und in weiteren angelsächsischen Ländern beobachtet man einen kleineren Unterschied in der Fruchtbarkeit nach Bildungsniveau. Dort sind es sogar die hoch qualifizierten Frauen, die mehr Kinder haben. Die Geburtenrate liegt in diesen Ländern deutlich über denjenigen Deutschlands und der Schweiz.

Die Betreuungskosten sind zu hoch

Es geht also nicht nur um die Einstellung der Männer. Internationale Studien zeigen, dass die Geburtenrate sinkt, je höher die Betreuungskosten sind. Und diese sind in der Schweiz allgemein hoch – viel zu hoch. Das stellt vor allem die hoch qualifizierten Frauen vor einen existenziellen Konflikt: Entweder sie reduzieren den Beschäftigungsgrad – und verzichten wohl auf die Karriere – oder geben ihren Kinderwunsch auf. Wir müssen darum über einen Abbau von regulatorischen Hürden auf dem Betreuungsmarkt diskutieren. Immer strengere Auflagen bezüglich Betreuungsverhältnis, Gruppengrössen, Raumgrösse und Personalausbildung verteuern laufend das Angebot. Die steile Progression in den Krippentarifen, das geringe Angebot an Tagesschulen und die Schwierigkeiten, Nannys oder Au-pairs zu rekrutieren, stellen für gut ausgebildete Frauen weitere Hürden dar. Das sind genau jene Frauen, die später in den Führungsetagen fehlen.

Dieser Beitrag ist im «Tages-Anzeiger» vom 30. April erschienen. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.