Olympische Winterspiele in St. Moritz 1948 (Quelle: Wikimedia Commons)

Letzte Woche hat das Organisationskomittee Graubünden 2022 Zahlen zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Olympischen Winterspiele vorgestellt. Laut Direktor Gian Gilli sei eine solche Studie wichtig, «denn auch ökonomisch muss Graubünden 2022 Sinn machen». Ist aber die präsentierte Studie ökonomisch stichhaltig? Anders gefragt: trägt sie zur Beantwortung der Frage bei, ob 2022 die Winterspiele im Kanton Graubünden durchgeführt werden sollen? Es gibt gute Gründe, daran zu zweifeln.

Ausgangspunkt der Studie ist eine Schätzung der Umsätze, die die Winterspiele auslösen werden. 4 Mrd. Fr. sollen es sein; eine beachtliche Zahl, die prompt von den Medien kolportiert wurde. Doch diese Zahl sagt für sich allein wenig aus: Umsätze stellen keine sinnvolle Zielgrösse dar. Unternehmen müssen, wenn sie nicht Pleite gehen wollen, Gewinne erzielen, nicht Umsätze maximieren. Und ihre Mitarbeiter streben keine höheren Umsätze an, sondern möglichst hohe Einkommen.

Dies ist den Autoren der Studie auch bewusst. Deshalb versuchen sie in einem zweiten Schritt, die durch die Spiele ausgelöste Wertschöpfung zu bestimmen, also die Summe der Löhne und Gewinne. Diese fällt mit 1,8 Mrd. Fr. (davon ca. 1,5 Mrd. als Löhne) naturgemäss deutlich tiefer aus als der erwähnte Mehrumsatz. Dabei berücksichtigen die Autoren der Studie durchaus, dass die Winterspiele während der Hauptsaison stattfinden und die Olympiatouristen die üblichen Besucher verdrängen werden. Dieser so genannte «Crowding-out»-Effekt war bei den letzten Olympischen Spielen mehrfach zu beobachten, zuletzt bei den Sommerspielen in London.

Doch auch die 1,8 Mrd. Fr. stellen eine Überschätzung der Zusatzeinkommen dar, denn wichtige weitere Quellen von Crowding-out wurden vom Bericht ignoriert. So stellt der allergrösste Teil der Lohnsumme, die durch die Spiele ausgelöst wird, kein zusätzliches Einkommen dar. Bei der tiefen Arbeitslosenquote, die hierzulande herrscht, werden die meisten Bündner auch ohne Olympia einer produktiven Tätigkeit nachgehen. Laut einer neueren Studie von amerikanischen Sportökonomen (ja, das gibt’s) waren die Beschäftigungseffekte in Salt Lake City bloss ein Sechstel der ursprünglich geplanten. Ähnliches ist für die Sponsoring- und Ticketeinnahmen der Inländer zu erwarten. Sie werden andere ähnliche Aktivitäten verdrängen.

Nur die Wertschöpfung, die von ausländischen Touristen und von internationalen Fernsehrechten und Sponsoringverträgen ausgeht sowie die Ausgaben von Schweizern, die sonst ins Ausland abfliessen würden, stellen echtes zusätzliches Einkommen dar – Einkommen, das in der Schweiz ohne die Spiele nicht anfallen würde. Allerdings verbleibt nur ungefähr die Hälfte der Fernsehrechte beim Bündner OK. Der Rest – geschätzte 600 Mio. Fr. – kommt dem Internationalen Olympischen Komitee (IOK) zugute.

Nützlicher als die lückenhafte Aufsummierung von wenig aussagekräftigen Wertschöpfungszahlen wäre eine Kosten-/Nutzen-Analyse. Diese müsste berücksichtigen, dass die bezahlten Löhne (aufgrund des Crowding-out) in Wahrheit Kosten sind. Zu klären wären auch die Opportunitätskosten bei der öffentlichen Hand. Damit ist der Nutzen all jener Projekte – beispielsweise im Schulbereich oder im Gesundheitssektor – gemeint, die wegen der Spiele keine Finanzierung erhalten werden. Auf der positiven Seite müsste aber auch der Nutzen der «Konsumenten» der olympischen Spiele berücksichtigt werden. Dieser geht deutlich über den Eintrittspreis zu den Wettkämpfen hinaus. Auch die langfristigen Image-Effekte verdienen eine tiefere quantitative Untersuchung.

Eine griffige Analyse müsste auch aufzeigen, wer die Gewinner und Verlierer dieses sportlichen Grossanlasses sind. Bereits heute kann man das IOK und die Sportverbände zur ersten Gruppe zählen, denn gemäss Artikel 36 der Olympischen Charta liegt die finanzielle Verantwortung der Spiele alleine bei den Organisatoren. Die finanziellen Risiken einer Kostenüberschreitung bleiben also bei den Schweizer Steuerzahlern. Angesichts der hohen benötigten spezifischen Investitionen besteht somit zumindest ein gewisses Risiko, dass sie zur zweiten Gruppe gehören werden.