Vorgestern lief die Vernehmlassungsfrist für den zweiten Wirksamkeitsbericht zum neuen nationalen Finanzausgleich aus. Nach sieben Jahren, die er nun in Kraft ist, kann man sagen: Im Grundsatz hat sich dieser Finanzausgleich bewährt. Der Bundesrat schlägt für die nächste Vier-Jahre-Periode eine leicht niedrigere Gesamtdotierung vor, da mit den Zuschüssen aus dem Ressourcenausgleich in den letzten Jahren auch der ressourcenschwächste Kanton die gesetzlich vorgesehene Mindestressourcenausstattung von 85% des schweizerischen Durchschnitts deutlich übertraf. Dass die Regierung darüber hinaus den Status quo beibehalten will, ist kaum Anlass zu vehementer Kritik, auch wenn es durchaus ein paar Stellschrauben gäbe, mit denen der Finanzausgleich noch fairer und einfacher gestaltet werden könnte. (Das Poster des letzten «avenir aktuell» widmete sich diesem Thema.)

Zwei Lager

Die wichtigste Stellungnahme zum Wirksamkeitsbericht und den daraus abgeleiteten Anpassungsvorschlägen stammt von den Kantonen selbst, bzw. der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). An diesem Dokument lässt sich exemplarisch die Rolle der Anspruchsgruppen bei der politischen Überarbeitung solcher Grundlagen aufzeigen:

Geber- und Empfängerkantone sind beim Thema Finanzausgleich naturgemäss in zwei Lager gespalten. Die Stellungnahme zu den einzelnen Punkten berücksichtigt im Hauptteil aber ausschliesslich die Meinung der Empfängerkantone, da sie gegenüber den Geberkantonen in der Mehrheit sind. Die Meinung der Geberkantone ist jeweils nur als nicht näher deklarierte «Minderheitsposition» angefügt, obwohl sie deutlich über die Hälfte des gesamten schweizerischen Steuersubstrats auf sich vereinen.

Beide Seiten berufen sich bei ihren Forderungen gerne auf aktuelle Studien oder den Wortlaut geltenden Rechtes – solange damit ihren eigenen finanziellen Interessen gedient ist. Sprechen die Fakten eine andere Sprache, werden die Begründungen «kreativer».

  • So lehnen die Empfängerkantone eine Senkung der Zuschüsse aus dem Ressourcenausgleich mit der seltsamen Begründung ab, die Mindestausstattung von 85% sei ja, wie der Name schon sagt, ein Minimum, und ein Überschreiten dieser folglich kein Grund für Kürzungen. Sie ignorieren dabei bewusst, dass sich das «Mindest-» auf alle Kantone in einem bestimmten Jahr bezieht und nicht auf den Wert des schwächsten Kantons im Zeitverlauf. Mit dem Ressourcenausgleich soll der schwächste Kanton eine pro-Kopf-Ressourcenausstattung von ungefähr 85% des Durchschnitts (und die anderen Kantone demzufolge höhere Werte) erreichen. Wird dieser Zielwert, wie zuletzt, mehrere Jahre in Folge signifikant überschritten, drängt sich eine Reduktion der Grundbeiträge auf.
  • Nicht viel mehr Hand und Fuss hat die Forderung der Geberkantone nach einer Abschaffung der Zuschüsse an Empfängerkantone, deren Steuerbelastung unter dem Mittelwert der Geberkantone liegt. Zwar soll der Finanzausgleich gemäss Gesetz «die Steuerbelastung zwischen den Kantonen verringern», was im eben genannten Fall tatsächlich eine Reduktion der Beiträge nahelegen mag, weil das formulierte Ziel damit ja offensichtlich übererfüllt wäre. A und O des neuen Finanzausgleichs ist aber genau die Loslösung der Transfers von der Steuerbelastung in den Kantonen, damit der freie föderalistische Wettbewerb nicht behindert wird. Ein faktisches Wettbewerbsverbot für Empfängerkantone à la «Ja, ihr dürft auf Unterstützung zählen, aber nur, wenn ihr uns auf steuerlicher Seite ja keine Konkurrenz macht», widerspricht dieser Idee im Kern, wessen sich letztlich wohl auch die Geberkantone bewusst sind.

Es gibt noch Optimierungspotenzial

Die folgenden Anpassungen würden hingegen durchaus zu einer Optimierung des Finanzausgleichs beitragen. Dass sie ausschliesslich von den Geberkantonen formuliert wurden, ist wohl weniger das Zeichen einer höheren intellektuellen Kapazität ihrer Politiker und Verwaltungsangestellten, sondern schlicht der Tatsache zu verdanken, dass sich die Geberkantone von diesen Massnahmen Vorteile versprechen:

  • Die Berechnung der einzelnen Transfers im aktuellen System ist ziemlich kompliziert und kann für kleinere Kantone zu seltsamen Effekten führen, wenn sich die Ressourcenstärke von grossen Kantonen deutlich ändert (Stichwort: Solidarhaftung). Transparenter und simpler wäre die Festlegung eines fixen Abgabesatzes für Geberkantone von beispielsweise 20% des über dem Durchschnitt liegenden Ressourcenpotenzials.
  • Die aktuelle Gewichtung der Ressourcenkomponenten (Einkommen, Vermögen, Unternehmensgewinne) bei der Berechnung des Ressourcenpotenzials benachteiligt Kantone, die vor allem als Firmenstandort glänzen.
  • Die Wasserzinsen aus dem Betrieb der Wasserkraftwerke stellen für einige Bergkantone eine durchaus signifikante und stetige Einnahmequelle dar, die in Zukunft noch an Wichtigkeit gewinnen wird. Es spricht nichts dagegen, diese ebenfalls in das Ressourcenpotenzial einfliessen zu lassen.
  • Der soziodemografische Lastenausgleich ist gegenüber dem geografisch-topografischen Lastenausgleich erwiesenermassen untergewichtet. Ein Verzicht auf eine Anpassung kann einzig mit der Verfolgung des Grundprinzips einer dezentralen Besiedlung der Schweiz (die bewusst Effizienzverluste in Kauf nimmt) erklärt werden.