Am 31. Mai 2011 stehen die Mitglieder der WTO einmal mehr vor wichtigen Entscheidungen. Wohin soll die bereits 10-jährige Doha-Runde überhaupt führen und was kann an der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation im Dezember 2011 wirklich erreicht werden?

Im Rahmen von Doha bemühen sich die Mitglieder, multilaterale Liberalisierungen und erleichterte Marktzugänge in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungen zu erreichen. Bis heute konnte in diesen Kerndomänen der WTO jedoch kein Kompromiss gefunden werden und es wird sich bis Ende Dezember leider höchstwahrscheinlich auch keiner finden. Der EU und den USA, aber auch der Schweiz, fällt es weiterhin schwer, Eingeständnisse im Landwirtschaftsbereich zu machen. Zudem stellen sich  aufstrebende Länder – wie etwa Brasilien und Indien – gegen bessere Marktzugänge für den Westen bei den Industriegütern.

Als Input für das morgige Treffen schlagen die bekannten Professoren Richard Baldwin und Simon Evenett zusammen mit ehemaligen Unterhändlern der WTO in einem Buch eine interessante Strategie vor, wie ein Ausweg aus der Doha-Sackgasse gefunden werden könnte. Anstatt ein Scheitern der Runde oder eine unglaubwürdige Abschlusserklärung zu verkünden, sollten die Mitglieder bis Ende Jahr ein reduziertes Massnahmenpaket vorschlagen, das im Dezember zum Abschluss käme und damit die politische Handlungsfähigkeit der WTO unter Beweis stellte. Diese Massnahmen würden zum Beispiel den Verzicht auf Importzölle oder Einfuhrbeschränkungen für Güter aus den ärmsten Ländern dieser Welt beinhalten. Für den Rest der Doha-Agenda sollten dann neue Verhandlungswege gefunden werden. Die bisher üblichen Verhandlungen nach einzelnen Bereichen sollten durch horizontale Verhandlungen ersetzt werden, bei denen Eingeständnisse der Handelspartner in allen Bereichen gleichzeitig auf den Tisch kommen.

Die WTO bleibt gerade für kleine Länder wie die Schweiz weiterhin wichtig, weil nur sie sicherstellen kann, dass Recht vor Macht kommt. Ein Ausfall der WTO würde letztlich nur Gremien wie die G-8 oder G-20 stärken, wo die grossen Länder ohne jegliche multilateralen Regeln das Sagen haben.

 Dr. Martin Wermelinger arbeitete von Januar 2011 – März 2012 als Projektleiter bei Avenir Suisse.