Die Schweiz ist zur Deckung ihres Energiebedarfes heute weitgehend auf Importe angewiesen und dürfte es auch in Zukunft bleiben. Gute Beziehungen zum europäischen Ausland bleiben wichtig, da Energie häufig über dessen Transportnetze und Märkte beschafft wird. Im Zentrum steht ein geregelter und gut funktionierender Zugang zum EU-Energiebinnenmarkt.

Zusammenwachsender Binnenmarkt

Dieser entwickelt sich permanent weiter. Nachdem sich die Idee in den 1980er Jahren konkretisierte, wurden mittels sogenannter Energiepakete in der EU-Massnahmen zur Öffnung der Strom- (1996) und Gasmärkte (1998) eingeleitet. 2003 folgt mit dem zweiten Energiepaket die freie Wahl des Gas- und Stromlieferanten für Geschäfts- und Privatkunden. Nachdem die Mitgliedstaaten im Rahmen des Vertrages von Lissabon das Ziel eines Energiebinnenmarktes erneuert hatten, wurde mit dem dritten Energiepaket (2009) die Agentur für die Zusammenarbeit der nationalen Energieregulierungsbehörden (Acer) gegründet.

In jüngerer Zeit folgte dann das vierte Paket («Clean Energy Package»). Dieses legte einen stärkeren Fokus auf das Erreichen der Klimaziele und weniger auf die Wettbewerbsfähigkeit. Im Rahmen des «Fit für 55»- und fünften Energiepakets soll die EU-Gesetzgebung endgültig auch im Energiebereich mit den Klimazielen in Einklang gebracht werden.

Zusätzlicher Druck für eine schnelle Umstrukturierung des Energiemarktes entstand nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Dieser offenbarte, dass eine zu starke Abhängigkeit von russischem Gas bestand. Aufgrund der Sanktionen – und gemäss dem «REPower EU»-Plan – musste die Gasversorgung kurzfristig umgestellt werden, z.B. auf den Bezug von LNG aus den USA.

Diesen geopolitischen Verwerfungen zum Trotz hält die EU an ihren ehrgeizigen Umweltzielen fest. Der Übergang zu einem von neuen Erneuerbaren geprägten Energiesystem erhöht gerade beim Strom den Koordinationsbedarf nationaler Massnahmen zur Wahrung der Netzsicherheit. Dasselbe gilt für die Nutzung von grenzüberschreitenden Kapazitäten zur Effizienzsteigerung.

Bedeutung für die Schweiz

Wie sich der europäische Energiebinnenmarkt entwickelt hat, ist speziell für die Schweiz von grosser Bedeutung. Die Verflechtung der Energieinfrastruktur in Europa – insbesondere beim Stromaustausch – ist eng. Zudem hat die Schweiz viele Regeln der EU übernommen, die den grenzüberschreitenden Handel sicherer und effizienter machen (z.B. die Network-Codes im Strombereich). Mit der voranschreitenden Umgestaltung des EU-Energiemarktes haben sich in den letzten Jahren jedoch die regulatorischen Unterschiede zwischen der EU und der Schweiz verstärkt. Diese führen dazu, dass unser Land in vielen Bereichen zusehends von wichtigen Prozessen ausgeschlossen ist und immer mehr den Status eines Drittstaates einnimmt.

Dies gilt insbesondere für den Strombereich (vgl. Abbildung), weshalb die Schweiz bereits 2007 Verhandlungen mit der EU über ein bilaterales Stromabkommen aufnahm. Zu einem Abschluss kam es allerdings nicht, denn die EU machte früh klar, dass der Abschluss neuer Marktzugangsabkommen von der Klärung der institutionellen Fragen abhängt. Mit dem Entscheid der Nichtunterzeichnung des institutionellen Rahmenabkommens (InstA) durch den Bundesrat im Mai 2021 rückte das Stromabkommen deshalb in weite Ferne – mit entsprechend negativen Folgen für die Stromversorgungssicherheit und Netzstabilität in der Schweiz. Mit dem Anfangs März verabschiedeten Mandat für die Verhandlungen unternimmt der Bundesrat nun einen neuen Anlauf und packt auch das Thema Stromabkommen direkt an.

Mehr als Strom

Doch nicht nur der Strombereich ist bei den Beziehungen der Schweiz zur EU relevant. Was häufig vergessen geht: Die Schweiz und die EU strebten vor mehr als zehn Jahren ein erweitertes Energieabkommen an. Die Priorität lag zwar beim Strom, es war aber vorgesehen, dass sich das neue Abkommen problemlos auf weitere relevante Energiebereiche ausdehnen lässt. Angesichts des derzeitigen Hochlaufs des Wasserstoffmarktes in der EU erscheint das Thema aktueller denn je.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in unserem Dossier Energie.