Künftig soll es für Studierende aus Drittstaaten einfacher werden, nach ihrem Masterstudium oder Doktorat an einer schweizerischen Hochschule in der Schweiz Arbeit zu finden. Dies sind ausländische Personen ohne EU- oder Efta-Pass. Der Bundesrat hat vor rund zwei Wochen entschieden, dass Masterabsolventinnen und -absolventen sowie Doktorierende von den Drittstaatskontingenten ausgenommen werden, sofern sie in einem Bereich mit Fachkräftemangel ausgebildet wurden.

Konkret soll die Regelung gemäss Bundesrat zur Anwendung kommen, wenn die «auszuübende Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem oder wirtschaftlichem Interesse» ist. Dies betrifft vor allem den Mint- sowie den Medizinbereich. Das Parlament verlangte diese Änderung mit der Motion Dobler (17.3067), und der Bundesrat hat dem Anliegen nun Rechnung getragen.

Bisher mussten Absolventinnen und Absolventen aus Drittstaaten innert sechs Monaten das Land verlassen, wenn sie in dieser Zeit keine (kontingentierte) Stelle gefunden hatten. Die Ausnahme von den Kontingenten bringt daher eine gewisse Erleichterung, da sie nicht aufgrund eines bereits ausgeschöpften Kontingents ausreisen müssen. Zudem kann es für schweizerische Unternehmen attraktiver sein, Drittstaatenangehörige überhaupt in Betracht zu ziehen, wenn sie nicht erst abklären müssen, ob das Kontingent bereits ausgeschöpft ist.

Eine Ausbildung an einer schweizerischen Hochschule ist immer mit Kosten für die Steuerzahler verbunden. Entsprechend sinnvoll ist es, teuer ausgebildete Fachkräfte, insbesondere in Bereichen, in denen Mangel herrscht, im Land zu behalten und von ihrem Knowhow zu profitieren. Diese Massnahme ist wichtig, gemäss Bund dürften die Auswirkungen aber bescheiden sein. Er schätzt, dass nur 200 bis 300 Personen pro Jahr von der Erleichterung profitieren.

Grosse potenzielle Basis

Ob es aber wirklich bei 200 bis 300 Personen pro Jahr bleibt, ist offen. Diese Zahl entspricht in etwa den bereits heute im Arbeitsmarkt verbleibenden Drittstaatenangehörigen. Es ist tendenziell davon auszugehen, dass künftig mehr Studierende aus Drittstaaten beschliessen, nach dem Abschluss in der Schweiz zu bleiben.

Die folgende Grafik zeigt das Potenzial. Zum Vergleich ist die Gesamtzahl an Abschlüssen an universitären Hochschulen sowie Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen aufgeführt. Bildungsausländer sind Personen, die beim Erwerb der Hochschulzulassung den Wohnsitz im Ausland hatten. Sie kamen typischerweise für das Studium in die Schweiz und verfügen entsprechend über keine langfristige Aufenthaltsbewilligung. Die Zahl der Drittstaatenangehörigen in der Grafik bezieht sich ebenfalls auf die Bildungsausländer. Nicht enthalten sind Drittstaatenangehörige, die in der Schweiz die Hochschulreife erlangt und daher meist eine Aufenthaltsbewilligung haben.

Die aktuell zumindest theoretisch in Frage kommende Anzahl ist in jedem Fall deutlich höher als die Prognose des Bundesrats. Im Jahr 2021 stammten 2024 Master-Absolvierende sowie 816 Doktoranden aus Drittstaaten. Der Anteil an Drittstaatenangehörigen bei den Bachelorabschlüssen ist mit 642 von 34’065 Absolvierenden minim. Zudem wird wohl der Grossteil davon, der nicht an einer Fachhochschule studiert, ein Masterstudium aufnehmen. Allgemein ist der Anteil ausländischer Studierender auf Bachelor- und Masterstufe an den Fachhochschulen niedriger als an universitären Hochschulen. Doktorate sind nur an den universitären Hochschulen möglich.

Prozentual nimmt der Anteil an Ausländerinnen aus dem EU/Efta-Raum und an Drittstaatenangehörigen zu, je höher der Abschluss ist. Entsprechend sinnvoll ist es, dass die Änderung sowohl Master-Studenten als auch Doktoranden umfasst.

Natürlich haben nicht alle Studierenden aus Drittstaaten einen Abschluss in einem Bereich mit hohem wirtschaftlichem oder wissenschaftlichem Interesse erlangt. Die Zahlen zeigen jedoch klar, dass ein sehr grosser Anteil der ausländischen (also inkl. EU/Efta) Absolventen eine Ausbildung im Mint-Bereich absolviert habt. So sind von den 5719 Mint-Masterabsolvierenden an den universitären Hochschulen im Jahr 2021 42,2% ausländische Staatsbürger. Bei den Doktoraten ist es noch deutlicher, dort stammen 72,3% der 2392 Abschliessenden aus dem Ausland.

Zudem ist zu erwarten, dass die Ausnahme von der Kontingentierung dazu führt, dass mittelfristig die Anzahl Studierender aus Drittstaaten steigt. Da es etwas einfacher geworden ist, nach dem Studium im Land zu bleiben, setzt dies einen Anreiz, überhaupt erst in der Schweiz zu studieren. Dies ist für die einheimische Wirtschaft vorteilhaft, da sich so der Talentpool vergrössert. Es muss dabei jedoch sichergestellt werden, dass die Qualität der Lehre erhalten bleibt und die Kosten korrekt eingerechnet werden.

Die Problematik der Postdoktorierenden

Im Gegensatz zu den Master- und Doktorats-Absolventen sind Post-Docs von der neuen Regelung ausgeschlossen. Dies ist insofern problematisch, als dass gemäss einer Studie des Schweizerischen Wissenschaftsrats (SWR) rund 80% der neu beginnenden Post-Doktorierenden aus dem Ausland stammen. Nur ein Viertel dieser Gruppe hat davor einen Abschluss in der Schweiz erlangt. Für dieses Viertel bringt die Massnahme einen Mehrwert, da sie tendenziell einfacher eine Stelle ausserhalb der Akademie finden können.

Die Ausnahme von der Kontingentierung ist entsprechend trotz den bestehenden Schwierigkeiten eine gute Nachricht für Postdocs – ebenso wie für das Schweizer Bildungssystem als den Arbeitsmarkt. Dem Talentpool eröffnen sich dadurch mehr Möglichkeiten. Doktorierende aus Drittstaaten haben so bessere Chancen, auch eine Stelle ausserhalb der Hochschulen zu finden. Dadurch werden sie voraussichtlich häufiger eine Stelle innerhalb der Hochschule freilassen.

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung stellt eine sinnvolle Massnahme gegen den Fachkräftemangel dar. Es darf nicht sein, dass in der Schweiz ausgebildete und meist auch sehr gut integrierte Fachkräfte aufgrund starrer Regelungen das Land verfrüht verlassen müssen. Diese Anpassung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Um den Fachkräftemangel wirksam bekämpfen zu können, wird es aber auch zukünftig Anpassungen brauchen.