Der Wirtschaftsnobelpreis ging in diesem Jahr an ein Forscher-Trio, dass sich mit der wirksamen Bekämpfung der globalen Armut auseinandersetzt. Die Forschung von Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer befasst sich mit dem Einsatz experimenteller Ökonomie zur Beurteilung von armutsbekämpfenden Massnahmen. Mit der Vergabe dieses Nobelpreises wurde eine wegweisende Entwicklung gewürdigt, die es in Zukunft zu stärken gilt.

Die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ist heute eine der umstrittensten Fragen, gleichzeitig wird der globalen Armutsbekämpfung mehr Bedeutung zugemessen denn je. Wissenschaftliche Forschung kann dabei helfen, bestehende Programme zu verbessern sowie verschiedene Ansätze gegeneinander abzuwägen und zu priorisieren. Dadurch können besonders wirksame Projekte gefördert, unwirksame hingegen frühzeitig beendet und dadurch Ressourcen für andere armutsbekämpfende Massnahmen freigeräumt werden.

Wenig wissenschaftliche Forschung

Die Schweizer EZA führt solche experimentellen Studien heute nur sehr vereinzelt durch. Die Absicht in der sich noch in Vernehmlassung befindenden Botschaft des Bundesrates, diese sogenannten «Impakt-Evaluationen» zu stärken, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Da wissenschaftliche Forschung auch mit Kosten verbunden ist, ist es entscheidend, dass gewonnene Erkenntnisse einer grossen Öffentlichkeit – auch über Landesgrenzen hinweg – zugänglich gemacht werden. Auf diese weise können sie möglichst breit in die Entscheidungsprozesse einfliessen und von verschiedensten Akteuren zur gezielten Armutsreduktion genutzt werden.

Hohe Wirksamkeit von Massnahmen im Gesundheitsbereich

Beim Einsatz von experimentellen Ansätzen in der EZA wird ähnlich vorgegangen wie in der medizinischen Forschung: mit zwei zufällig zusammengestellten Untersuchungsgruppen, wobei bei einer Gruppe die Massnahmen tatsächlich durchgeführt werden, während die andere lediglich als Kontrolle dient. Damit kann der armutsreduzierende Effekt der Massnahme unter den gegebenen Rahmenbedingungen, die für beide Gruppen die gleichen sein müssen, identifiziert werden.

Dank der Wirksamkeitsforschung wissen wir heute beispielsweise, dass Massnahmen im Gesundheitsbereich, wie etwa das kostenlose Verteilen von Gesundheitsprodukten, besonders wirksam zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden können. Allerdings können bereits kleine Veränderungen der Massnahmen die Wirksamkeit beinträchtigen: So führt das kostenlose Verteilen von Moskitonetzen zu einer höheren Adaptionsrate unter der lokalen Bevölkerung (d.h. es wird auch tatsächlich unter den Moskitonetzen geschlafen). Das unentgeltliche Verteilen ist deshalb gegenüber dem Verkauf von subventionierten Netzen grundsätzlich zu priorisieren.

Nutzen und Schwierigkeiten aus realpolitischer Sicht

Wirksame Programme können in der Tat einen hohen Nutzen stiften. So wurden mit dem Engagement der Schweiz in der Malariabekämpfung in Tansania bis heute 28 Millionen Moskitonetze verteilt. Dank der Wirksamkeit dieser Massnahmen schlafen heute 80% der Familien unter Moskitonetzen. Dies wiederum hat dazu geführt, dass die Kleinkindersterblichkeit zwischen 2000 und 2010 um 48% gesunken ist, die Infektionsrate im Süden Tansanias um 85% reduziert wurde und schätzungsweise 60’000 Kleinkinder vor ihrem Tod bewahrt werden konnten.

Einfach, billig, wirksam: Moskitonetz zur Verhütung von Malaria. (Christine Wehrmeier, Unsplash)

Allerdings ist auch die experimentelle Ökonomie nicht über alle Zweifel erhaben. Eine Schwierigkeit liegt etwa darin, dass vor lauter Bestrebung zur Isolierung eines spezifischen Effekts das grosse Ganze aus den Augen verloren gehen kann. Hat man einmal eine wirksame Massnahme identifiziert, ist diese auch im Hinblick auf ihre Systemwirkungen zu beurteilen. Mögliche Nebenwirkungen, die durch entwicklungspolitische Massnahmen ausgelöst werden, müssen in die Gesamtbeurteilung miteinbezogen werden, andernfalls geht man das Risiko von Folgeschäden ein.

Hohe Komplexität erfordert mehr wissenschaftliche Forschung

Um das Ziel der Armutsbekämpfung zu erreichen, müssen Entwicklungsgelder dort eingesetzt werden, wo sie wirksam sind. Denn dass EZA nicht überall gleich gut funktioniert, darauf weist auch das Nobelpreisträger-Trio hin. Massnahmen, die in experimentellen Studien als wirksam identifiziert wurden, können in anderen Kontexten ihre Wirksamkeit auch wieder verlieren. Ein sogenanntes Allerweltmittel zur Armutsbekämpfung gibt es somit nicht. Umso wichtiger ist die Forderung nach mehr wissenschaftlicher Forschung und daraus resultierenden Erkenntnissen, um die Zusammenhänge besser zu verstehen.

Die Würdigung wissenschaftlicher Forschung, die sich in der Vergabe des diesjährigen Wirtschaftsnobelpreises spiegelt, sollte als Wegweiser hin zu einer wirksameren EZA verstanden werden. Für den Erfolg der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ist daher auch in Zukunft elementar, sich nicht an kurzfristigen Interessen der Politik zu orientieren, sondern am langfristigen Ziel, einen möglichst wirksamen Beitrag zur Armutsreduktion und zur nachhaltigen Entwicklung der Partnerländer zu leisten.