Das Steuer- und Sozialversicherungssystem der Schweiz ist dem sogenannten «Sparschweinchenmodell» verpflichtet. Die Bürger werden vom Staat angehalten, ihr Einkommen über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu verteilen. Jeder muss Abgaben leisten, die ihm zu einem späteren Zeitpunkt wieder direkt zufliessen. Im Gegensatz dazu steht das «Robin-Hood-Modell», das nach dem Prinzip «Den Reichen nehmen, den Armen geben» funktioniert. Wie eine Studie der Universität St. Gallen zeigt, erfolgt in der Schweiz die staatliche Umverteilung über den gesamten Lebenszyklus betrachtet zu zwei Drittel intrapersonell – sprich:  zwischen denselben Haushalten – und bloss zu einem Drittel interpersonell, also zwischen Haushalten mit unterschiedlich hohen Einkommen. Damit wird klar, dass sich diese intrapersonelle Umverteilung im Sinne des «Sparschweinchenmodells» keineswegs nur auf die umfangreich ausgebauten Rentenversicherungen beschränkt. Viele weitere Transferleistungen, die eigentlich als Unterstützung der ärmeren Haushalte gedacht sind, stellen Transfers «von der rechten in die linke Tasche» dar.

Deutlich zum Ausdruck kommt dies beispielsweise bei den Kinderkrippensubventionen. Eine Familie mit einem steuerbaren Einkommen von 100‘000 Fr. (dies entspricht einem Bruttoeinkommen von rund 150‘000 Fr.) und 2 Kindern, die 3 Tage in die Krippe gehen, erhält in der Stadt Zürich rund 12‘000 Fr. Subventionen für die Fremdbetreuung. Denselben Betrag muss die Familie Ende Jahr dem Staat wieder als Einkommenssteuern abliefern (vgl. Abbildung). Selbst bei einem steuerbaren Einkommen von 120’000 Fr. machen die Einkommenssteuern noch die Hälfte der Subventionen aus. Was also aus der linken Tasche genommen wird (in Form von Steuern), wird der rechten wieder gegeben (in Form von Subventionen). Das ist aber nicht bloss ein Einzelfall. Dasselbe Bild zeigt sich nämlich auch bei den Prämienverbilligungen, die landesweit rund 2.4 Millionen Versicherten zugesprochen werden.

Hohe implizite Grenzsteuersätze führen zu negativen Arbeitsanreizen

Diese Art von Umverteilung ist aber nicht bloss ein administrativer Unsinn mit hohen Verwaltungskosten. Durch die Interaktion zwischen Transferleistungen und Steuern entstehen implizite Grenzsteuersätze, die den Anreiz mehr zu verdienen, schwächen und bisweilen eliminieren. Am Beispiel der Kinderkrippenkosten heisst dies folgendes: Arbeitet die Zweitverdienerin (es handelt sich in den meisten Fällen um eine Frau) pro Woche einen Tag mehr ausser Haus, steigt das Haushaltseinkommen. Dadurch nimmt nicht nur die Steuerbelastung zu, sondern in vielen Fällen werden auch die Krippensubventionen gekürzt. Zudem muss wegen des zusätzlichen Arbeitstages ein weiterer Krippentag bezahlt werden. Für die Zweitverdienerin lohnt es sich deshalb oft nicht, ihre Arbeitstätigkeit auszudehnen.

Soviel Subventionen wie Einkommensteuern

Um die Umverteilung von der rechten in die linke Tasche und die damit verbundenen ökonomischen Kosten zu mindern, gibt es ein einfaches Rezept: Die Senkung der Subventionen bei gleichzeitiger Reduktion der Einkommenssteuern für den Mittelstand. Die ärmsten Haushalte würden weiterhin Leistungen erhalten, im Mittelstand würde sich hingegen nichts ändern: Weniger Subventionen dafür auch weniger Steuern. Die Umverteilung würde also gezielter erfolgen, was zur besseren Verteilung der Lasten und Leistungen unseres Steuer- und Transfersystems beitragen würde. Mehr «Robin Hood» als «Sparschwein» also.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Avenir-Suisse-Publikation «Zwischen Last und Leistung. Ein Steuerkompass für die Schweiz».