Die ersten Gespräche begannen vor beinahe 20 Jahren, nun scheinen sie kurz vor einem erfolgreichen Abschluss zu stehen: Die EU und Mercosur – die gemeinsame Handelszone von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay – werden einen umfassenden Freihandelsvertrag unterzeichnen.

Unternehmen aus der EU erhalten damit erleichterten Zugang zu einem Markt von über 260 Mio. Konsumenten. Zollsätze von bis zu 35% werden (stufenweise) reduziert oder ganz abgebaut. Dies ist markant – andere Länder wie die USA haben in der Regel nur einstellige Einfuhrzölle, umso höher sind also die Vorteile eines Abkommens mit den Mercosur-Staaten einzuschätzen. Erste Zahlen sprechen von rund 4 Mrd. Euro Einsparungen pro Jahr für EU-Unternehmen. Dazu kommt – oft noch bedeutender als die tarifären Hürden – der Abbau technischer Handelshemmnisse. Dies kann eine gegenseitige Anerkennung von Normen beinhalten, exportierende Unternehmen sparen sich somit eine zusätzliche Prüfung ihrer Produkte im importierenden Land.




Obwohl die Schweiz nicht Vertragspartnerin ist, wird sie die Auswirkungen des EU-Mercosur-Abkommens spüren. Denn im Vergleich zu Schweizer Unternehmen erwachsen europäischen Konkurrenten mit dem Abkommen Wettbewerbsvorteile im südamerikanischen Markt. Der Kampf um Kunden dürfte für Exporteure aus der Schweiz intensiver werden.

Hartes Ringen um Agrargüter

Um dieses Diskriminierungspotenzial zu vermeiden, ist die Schweiz – zusammen mit den anderen Partnerländern der Efta (Norwegen, Island und Liechtenstein) – daran, ein ähnliches Abkommen mit den Mercosur-Staaten auszuhandeln. Während die Diskussionen um Industriezölle und technische Normen weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit erfolgen, erregen die Beratungen des Agrarkapitels mehr Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zu bisherigen Freihandelsabkommen, bei denen das Agrarkapitel entweder bewusst ausgelassen wurde oder der Vertragspartner über weitgehend komplementäre Agrargüter verfügte, kommt die Schweiz diesmal nicht um ein hartes Ringen herum.

Dabei sind nicht so sehr die Verhandlungsrunden mit den Mercosur-Staaten gemeint, sondern das Werben um Akzeptanz eines allfälligen Ergebnisses im Inland. Es wäre das erste Mal, dass die Schweiz ein Freihandelsabkommen abschliessen würde, das substanzielle Zugeständnisse im Agrarbereich enthält. Prophylaktisch haben sich bereits Vertreter des Agrarkomplexes warnend zu Wort gemeldet, von einem «Opfern der Bauern» zugunsten der Aussenwirtschaft ist die Rede.

Was dabei untergeht, ist die Tatsache, dass die Schweizer Prosperität zum überwiegenden Teil auf dem Aussenhandel beruht (vgl. Handel statt Heimatschutz). Eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Schweizer Exporte schlägt auf den Wohlstand durch, langfristig auch mit Konsequenzen für die Landwirtschaft.

Weiter ist ein allfälliges Abkommen mit den Mercosur-Staaten nicht mit der Schleifung des hohen Schweizer Agrar-Grenzschutzes gleichzusetzen. Es würde einzig eine Kerbe in das Bollwerk geschlagen. Denn erstens wird der Zollschutz kaum für alle Agrargüter aufgehoben, zweitens wird ein Abbau der Zölle nicht per sofort auf null geschehen, es ist mit einem stufenweisen Abbau zu rechnen. Dies gibt dem Sektor Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen. Drittens ist es gut möglich, dass nur zollfreie Kontingente für bestimmte Lebensmittel vereinbart werden. So diskutiert die EU mit den Mercosur-Staaten über jährliche Höchstmengen an Rindfleisch, die zollfrei eingeführt werden dürfen. Mengen, die darüber hinausgehen, müssen weiterhin verzollt werden.

Widerstände der Agrarlobby überwinden

Ein erfolgreicher Verhandlungsabschluss ohne Zugeständnisse im Agrarsektor ist Wunschdenken. Denn für die Mercosur-Staaten spielt die Landwirtschaft – im Gegensatz zu vielen anderen Staaten – auch für die Wertschöpfung eine bedeutende Rolle: Knapp 6% des Mercosur-BIP wird durch den Agrarsektor erwirtschaftet. Entsprechend hoch ist das Interesse der südamerikanischen Bauern an einem möglichst ungehinderten Zugang zum europäischen Markt.

Die Schweiz muss ihre Hausaufgaben machen und die politischen Widerstände der Agrarlobbyisten überwinden. Die Beibehaltung des Status Quo bedeutet Rückschritt. Denn während sich andere Länder bewegen, laufen wir Gefahr stehenzubleiben. Der relative Abstand zu wirtschaftlichen Konkurrenten wird somit immer grösser.