Bundespräsident Maurer im Weissen Haus, US-Aussenminister Mike Pompeo im Castelgrande – selten war die politische Beziehung zwischen der Schweiz und den USA so intensiv wie in den vergangenen Monaten. Zwischen Bern und Washington laufen die Drähte heiss. Was sind die Gründe dafür?

Die Schweiz hofft auf den raschen Abschluss eines Freihandelsabkommens (FHA) mit dem – nach der EU – zweitgrössten Handelspartner. Dank der beidseitig boomenden Konjunktur erreichte der Austausch von Waren, Dienstleistungen und Direktinvestitionen in den letzten Jahren neue Höchststände. Die USA sind mit Abstand der wichtigste Handelspartner, mit dem die Schweiz bisher weder ein FHA abgeschlossen noch formelle Verhandlungen aufgenommen hat. Vor dem Hintergrund eines schwächelnden Multilateralismus sind stabile Rechtsgrundlagen der bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen gerade für einen Kleinstaat mit einer hohen Exportabhängigkeit von vitalem Interesse.

Für die USA hingegen spielt die Schweiz eine gewisse Rolle im Konflikt mit dem Iran: Sie vertritt die diplomatischen Interessen Washingtons in Teheran. Spitzt sich der Konflikt weiter zu, werden auch die Dienste der Schweiz stärker benötigt. Das Thema Freihandel spielt in den offiziellen Verlautbarungen der US-Administration zu den bisherigen schweizerisch-amerikanischen Treffen kaum eine Rolle. Dennoch dürften auch die USA ein Interesse an einem FHA haben, denn ihr Image als weltweiter Advokat des Freihandels ist zumindest in Europa angekratzt: «America first» wird als Abkehr von diesen Idealen interpretiert, der Handelsstreit mit China und der EU beunruhigt hiesige Wirtschaftsvertreter. Ein Abkommen mit der Schweiz würde global das Signal aussenden, dass «Deals» immer noch möglich sind. Für die USA wäre die Schweiz eine «low hanging fruit», die Themen Migration (Mexiko), geopolitisches Machtstreben (China) oder Automobilproduktion (EU) sind keine Hinderungsgründe für den erfolgreichen Abschluss eines FHA. Das bestehende «window of opportunity» gilt es zu nutzen – es dürfte sich bald wieder schliessen.

Bald mehr Schweizer Produkte in amerikanischen Trucks? Werbeschild eines Transportunternehmens in New York. (sru.)

Dass gemeinsame, liberale Grundwerte aus amerikanischer Perspektive für ein gutes zwischenstaatliches Verhältnis wichtig sind, hat letztes Jahr US-Finanzminister Steven Mnuchin in einer Rede vor der American Swiss Foundation in Washington DC betont: «Die USA und die Schweiz bekennen sich gemeinsam zu Demokratie, Handelsfreiheit und Unternehmertum.» Gerade die Tatsache, dass die Schweiz zwar nicht Mitglied der EU, aber über die Bilateralen bisher eng mit ihr verbunden ist, bietet aus amerikanischer Sicht eine zusätzliche, strategische Opportunität. Ein FHA mit der Schweiz dürfte auch viel linearer und weniger zeitaufwendig zu erreichen sein als mit der EU, deren mehr als zwei Dutzend Mitgliedsstaaten jedes Abkommen einzeln ratifizieren müssen. Das entbindet gleichwohl die politische Schweiz nicht von der Verpflichtung, auch zur EU als weiterhin mit Abstand wichtigster Handelspartnerin eine tragfähige Lösung zu finden, die für Schweizer Unternehmen Rechtssicherheit schafft.

Um in den Augen der USA wirklich ein attraktiver Vertragspartner für ein FHA zu sein, muss die Schweiz eine politisch gewichtige Hausaufgabe selbst lösen: die Teilliberalisierung des Agrarmarktes. Es ist bereits heute klar, dass ein Abkommen unter Ausklammerung der Landwirtschaft kaum zustande kommen wird. Doch ist die Schweiz dafür wirklich bereit? Bereits 2006 scheiterte ein erster Anlauf vor allem am Schweizer Nein, den Agrarmarkt zu öffnen. Doch im Gegensatz zu damals scheinen die USA heute nicht mehr auf einer vollständigen Öffnung des Schweizer Agrarmarktes zu beharren.

Dennoch dürften beispielsweise Rindfleisch, Getreide und Futtermittel zu grösseren Diskussionen Anlass geben. Unsere Handelsdiplomaten werden kreative Lösungen finden müssen, um einerseits dem Verhandlungspartner genügend entgegenzukommen, ohne aber andererseits im Inland eine Fundamentalopposition der Agrarvertreter zu riskieren. Denn trotz eines Wertschöpfungsanteils von rund 0,6% am Bruttoinlandprodukt ist diese Lobby politisch im Stande, die restlichen 99,4% ins Leere laufen zu lassen. Der vorgeschlagenen Agrarpolitik 22+ wurden die meisten innovativen und in Richtung Liberalisierung zeigenden Zähnchen gezogen. Sogar ein kürzlich eingereichtes Postulat zum Bürokratieabbau in der Landwirtschaft wird vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen – grössere Änderungen am bestehenden Kurs scheinen politisch nur zu stören.

Will die Schweiz ein Abkommen mit den USA, muss sie bereit sein, sich zu öffnen. Dies kann nur gelingen, wenn alle relevanten Interessengruppen frühzeitig einbezogen werden. Klar ist: Freihandel und Wohlstand gibt es nicht umsonst.