Das internationale Handelssystem – und mitten drin die stark exportorientierte Schweiz – befindet sich in einer Zeit des Umbruchs. Die Schwächung des multilateralen Wegs – Stichworte «verschleppte Doha-Runde», «nicht funktionsfähiges Berufungsgremium», «Handelskriege» und «Protektionismus» – stellen das regelbasierte System vor gewaltige Herausforderungen.

Aus Schweizer Perspektive zunehmend schwierig gestaltet sich zudem die Beziehung zur wichtigsten Handelspartnerin, der Europäischen Union (EU). Hinzu kommen Ängste vor der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft und damit einhergehend die Befürchtung, dass zahlreiche Arbeitsplätze der Automatisierung zum Opfer fallen werden. Umso mehr Bedeutung kommt vor diesem Hintergrund den Effekten zu, die aus dem Freihandel resultieren.

Weiteres Potential für Ausbau des FHA-Netzwerks

Die Schweiz hat bereits ein breites Netzwerk an Freihandelsabkommen (FHA), mit dem sie derzeit rund 60% des Weltmarktes abzudecken vermag. Im Umkehrschluss heisst dies, dass 40% nicht eingebunden sind. Dabei stellen die USA die mit Abstand grösste Lücke im Freihandelsnetzwerk der Schweiz dar: Mit einem Schlag könnte die Schweiz den Anteil des Weltmarktes, den sie über ihr Netz an FHA abdeckt, um 15% steigern. Zum Vergleich: die weiteren FHA-Partner auf der Liste «Potenzial, aber noch keine offiziellen Verhandlungen» – etwa Australien, Pakistan oder Nigeria – erfassen lediglich 0,5-1% des Weltmarkes.

Heute profitieren bereits über 700’000 Arbeitsplätze

Das stellengenerierende Potenzial durch ein FHA zwischen der Schweiz und den USA ist gross. Bereits heute profitieren zahlreiche Arbeitsplätze von den wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den beiden Ländern. Gemäss Berechnungen sind es derzeit über 700’000 Arbeitsplätze, davon rund 260’000 in der Schweiz sowie rund 450’000 in den USA. Für die Schweiz fallen dabei deutlich mehr Stellen durch den Austausch von Waren und Dienstleistungen an (180’000) als durch die Direktinvestitionen der USA in der Schweiz (90’000). Die USA sind für die Schweiz der zweitwichtigste Wirtschaftspartner nach der EU, sowohl beim Austausch von Waren und Dienstleistungen als auch bei den Direktinvestitionen. Für die USA ist das Bild gerade umgekehrt: Der Austausch von Waren und Dienstleistungen generiert «lediglich» rund 140’000 Stellen, während die Schweizer Direktinvestitionen in den USA 320’000 Stellen schaffen. Die Schweiz ist der zehntwichtigste Handelspartner von Waren und Dienstleistungen und der siebtwichtigste Direktinvestor in den USA. 

1x Roche oder 1x Novartis in der Schweiz

Mit einem FHA würden sich die bilateralen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Staaten weiter vertiefen. Gemäss Schätzungen[1]würde alleine der Warenhandel fünf Jahre nach Inkrafttreten eines FHA auf beiden Seiten des Atlantiks um mehr als 14 Mrd. Fr. steigen. Das US-Exportvolumen wäre im Jahr fünf um rund 10 Mrd. Fr. höher als ohne Abkommen, was ungefähr 30’000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in den USA entspricht. Diese Zahl ist ungefähr äquivalent zur Anzahl Mitarbeiter der Roche Group in den USA. Aus Schweizer Perspektive würde das Exportvolumen um rund 5 Mrd. Fr. steigen und somit etwa 15’000 zusätzliche Arbeitsstellen schaffen. Eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass die beiden Schweizer Pharmakonzerne Roche und Novartis heute je ungefähr gleich viele Mitarbeiter in der Schweiz beschäftigen.

Zusätzliche Impulse durch Dienstleistungen und Investitionen

Mehr als 40’000 Arbeitsplätze – dies ist eine beachtliche Zahl. Ein FHA zwischen der Schweiz und den USA würde aber noch weit mehr Stellen schaffen als die hier errechneten, würde man den zusätzlichen Dienstleistungsverkehr und das gestiegene Investitionsvolumen ebenfalls berücksichtigen. Dies ist aufgrund der limitierten Datenlage jedoch schwierig. Diejenigen Datenpunkte, die für den Dienstleistungsverkehr beigezogen werden können, lassen erwarten, dass ein FHA zwischen der Schweiz und den USA ebenfalls zu einer signifikanten Belebung des Austausches beitragen würde. Für die Direktinvestitionen lässt sich generell erwarten, dass ein FHA für die Wirtschaftsakteure eine höhere Rechtssicherheit schafft, so dass Investitionspläne in den beteiligten Ländern attraktiver werden. Dies schlägt sich mittel- bis langfristig auch in den Zahlen zum Bestand an Direktinvestitionen nieder. Zusätzlich sind auch stellenschaffende Effekte durch höhere Einkommen und den dadurch ansteigenden Konsum- und Investitionsausgaben – sogenannte indirekte Effekte – zu erwarten.

Fazit: Time for a deal

Die Vorteile eines FHA mit den USA sind klar: Durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze würden zahlreichen Menschen neue Einkommensmöglichkeiten eröffnet. Dies ist vor dem Hintergrund der gegenwärtig bestehenden Unsicherheiten im internationalen Handel, aber auch der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung, von besonderer Bedeutung. Das Fazit ist somit klar: It’s time for a deal!

Weiterführende Informationen: «Win-win: Freihandel Schweiz-USA».

[1]Den Schätzungen liegt die Annahme zugrunde, dass ein FHA zwischen der Schweiz und den USA mit anderen FHA, welche die beiden Länder in der Vergangenheit bereits abgeschlossen haben, vergleichbar wäre.